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Gestaltung der Osternacht   

Ein Teilprojekt zur biblischen Beseelung der Pastoral

Vorüberlegungen und Ziele

Im zweiten Kalenderjahr des Projektes (2011) standen weniger einzelne Veranstaltungen im Vordergrund – einzig die biblische Begleitung der Gruppe Wegbegleitung fand noch statt. Stattdessen entschied die Spurgruppe, das Projekt in einem grösseren und feierlichen Rahmen abzuschliessen. Dafür bot sich die Feier der Osternacht an. Das Seelsorgeteam der Katholischen Pfarrei hatte beschlossen, 2011 erstmalig eine Ostermorgenfeier um 5.00 Uhr am Ostersonntagmorgen mit anschliessendem Zmorge durchzuführen. Entsprechend der Ökumenischen Ausrichtung sollte daran auch die Reformierte Gemeinde beteiligt sein. Im Kreis der Reformierten Pfarrerinnen und Pfarrer beschloss man daraufhin, die Osternacht hindurch eine Feier in der Reformierten Kirche anzubieten, die in die Ostermorgenfeier in der Katholischen Kirche einmündete. Aus den Gesprächen mit der Spurgruppe entstand die Idee, während der Osternacht das gesamte Markusevangelium zu lesen und zu meditieren. Aus der Spurgruppe kam auch die Idee, die Bilder, die Barbara Felder im Laufe des Projektjahres zum Markusevangelium gemalt hatte, in einer Ausstellung zu zeigen. Für das gesamte Angebot in der Osternacht und am Ostermorgen wurde ein gemeinsamer Flyer erstellt.

Vorgehen und Methoden

Ab 22.00 Uhr wurde in der Reformierten Kirche zu jeder vollen Stunde ein Abschnitt aus dem Markusevangelium vorgelesen. Umrahmt wurde die Lesung jeweils von Percussion und Taizé-Liedern. Das dauerte ca. 30 Minuten. In der zweiten halben Stunde gab es jeweils die Möglichkeit für Stille oder für einen Besuch in der Bilderausstellung. Zweimal wurde in der Ausstellung eine gemeinsame Begegnung mit einem Bild angeboten. Nach Mitternacht gab es Suppe im Gemeindezentrum, um 3.30 Uhr ging man gemeinsam zu einem Brunnen, um Wasser für die Taufwassererneuerung in der Ostermorgenfeier zu holen und um 4.30 Uhr machte man sich gemeinsam auf den Weg zum Osterfeuer an der Katholischen Kirche.

Modellhaft sei hier die Aufteilung der Leseabschnitte aus dem Markusevangelium und das anschliessend gesungene Lied dargestellt – in der Mitte der Abschnitte wechselte jeweils die Lesestimme:
Mk 1,1-3,6 (Confitemini Domino)
Mk 3,7-5,42 (Meine Hoffnung und meine Freude)
Mk 6,1-9,1 (Wait for the Lord)
Mk 9,2-10,52 (Nada te turbe)
Mk 11,1-12,44 (The kingdom of God)
Mk 13,1-14,65 (Dans nos obscurités)
Mk 14,66-16,9 (Jesus remember me)

Als Leserinnen und Leser wurden weitere Menschen aus den beiden Gemeinden angefragt, genauso wie für die Bewirtung im Gemeindezentrum. So wuchs der Kreis der Mitverantwortlichen und Mitgestaltenden.
Nach der Lesung von Mk 1,1-3,6 und Mk  9,2-10,52 waren die Teilnehmenden zum Besuch der Bilderausstellung eingeladen. Beide Male standen Bilder im Zentrum, die sich mit dem zum Schluss gehörten Text beschäftigen: Mk 3,1-.6 bzw. 10,46-52
Mehr zur Ausstellung

Die Lesung des Markusevangeliums wurde in einem Artikel in der Schweizer Kirchenzeitung zum Beginn des Lesejahres B am 1. Advent 2011 als Beispiel erwähnt, wie sich die Potentiale des Lesejahres erleben lassen. Lesen

Die Ostermorgenfeier

In der Ostermorgenfeier spielten die biblischen Lesungen eine besondere Rolle. Gelesen wurden insgesamt 5 Lesungen, Gen 1,1.26-31a, Ex 14,15-25; Jes 55,1-5; Röm 6,3-11 und Mt 28,1-10. Sie wurden durch besondere Formeln abgeschlossen:
Gen 1 – Wort des lebendigen Gottes, der die Vielfalt liebt
Ex 14 – Wort der lebendigen Gotteskraft, die Pharaonen in Verwirrung bringt
Jes 55 – Wort des Heiligen Israels, der alle zum Fest einlädt
Röm 6 – Wort des lebendigen Gottes, der uns als neue Menschen schafft


Eine besondere Rolle bei der biblischen Gestaltung spielte der Kirchenchor bzw. sein Chorleiter, der als Zwischengesang nach der ersten Lesung einen Psalm und nach der zweiten Lesung das Sch’ma Jisrael sang.

Das Tagesgebet nahm die biblischen Lesungen auf:
Gott, du Geheimnis unseres Lebens,
Du liebst die Vielfalt, in der sich das Leben in deiner Schöpfung zeigt,
Du zeigst dich als Kraft, die Pharaonen und ihre Streitmacht in Verwirrung bringt,

Du lädst uns ein, weil wir hungrig und durstig, nicht weil wir mächtig oder reich sind;
Dein Abbild zu sein und es dir gleich zu tun, fällt uns nicht leicht.
In unserer Welt herrschen andere Verhältnisse, in die wir verstrickt sind.
Sei bei uns, wie du auch bei unseren Müttern und Vätern im Glauben gewesen bist.
Erweis dich auch an uns als Macht, die stärker ist als der Tod, so wie du in Jesus Christus, unserem Bruder und Herrn gewirkt hast.
Amen.

Die Predigt ging dem Gespräch nach, das Mt 28,1-10 mit anderen Bibeltexten führt und lenkte den Blick auf die Bibel als grosses Gespräch:
«Wir haben gesehen: Das Matthäusevangelium führt ein Gespräch mit anderen Bibeltexten. Das ist keine Eigenart dieses Evangeliums. Das ist das Wesen der Bibel. Die Bibel ist ein Gespräch. Texte sprechen miteinander. Und über die Texte sprechen Menschen miteinander, die diese Texte erzählt, geschrieben, gesungen, gebetet, geklagt und sicher auch manchmal verflucht haben. Die Bibel ist ein grosses Gespräch. Unsere Leseordnung für die Gottesdienste versucht das erfahrbar zu machen. In jedem Gottesdienst werden mehrere Bibeltexte vorgelesen, miteinander kombiniert, miteinander ins Gespräch gebracht. Texte aus dem Neuen und aus dem alten Testament sprechen miteinander. Heute, in dieser Ostermorgenfeier sind es sogar 5 Bibeltexte, die miteinander im Gespräch sind. Sie sprechen über die Frage, ob der Tod in dieser Welt das letzte Wort hat oder nicht. Ob sich am Ende die Todesmächte durchsetzen oder ob es eine andere, stärkere Kraft gibt, Gott genannt. Und wie wir uns diese andere Kraft vorstellen können. Was erzählen uns die anderen Bibeltexte, die wir heute gehört haben?

Die Lesung aus dem Buch Exodus, vom Durchzug des Volkes Israel durch das Meer, knüpft an das an, was der Prophet Ezechiel über Gog von Magog sagte. In diesem Text heisst die herrschende Todesmacht «der Pharao und seine Streitmacht.» Der biblische Gott bringt diese Todesmaschinerie in Verwirrung und stoppt sie. So zeigt dieser Gott «seine Herrlichkeit». Es ist herrlich, es ist göttlich, wenn die Schwachen vor der Übermacht der Starken gerettet werden.

Die Lesung aus dem Buch Genesis, dem Schöpfungslied, erzählt von der Vielfalt des Lebens in Gottes Schöpfung. Von Fischen und Vögeln und Vieh und Kriechtieren und Männern und Frauen und Pflanzen und Bäumen. Es ist schöpferisch, es ist göttlich, wenn es Raum gibt, in der jeder anders sein kann, in der jede in ihrer Eigenartigkeit leben kann.

Die Lesung aus dem Buch des Propheten Jesaja ist eine grosse Einladung Gottes zum Leben und Geniessen. Eingeladen sind wir, weil wir durstig und hungrig sind. Nicht weil wir Geld oder Macht haben. Der Text zeigt aber auch, dass dieser Gott offenbar eine Vorliebe hat. Er ist der Heilige Israels. Gott hat zum Judentum eine andere Beziehung als zu uns. Es ist herausfordernd, es ist göttlich, Geschwister zu haben, die anders sind als wir.
Der Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Rom spricht von Sünde. Sünde ist bei Paulus wie in der Bibel überhaupt ein Beziehungswort. Es meint das Zusammenleben von Menschen. Paulus spricht über die herrschenden Lebensverhältnisse seiner Zeit. Er fragt: Können wir im Römischen Imperium, das auf der Macht weniger und der Abhängigkeit vieler aufbaut, auf Kaiserkult und Sklaverei, können wir in diesem System  frei und gerecht miteinander leben? Wir sind doch in dieses Unrechtssystem, diese Sünde, eingebunden, sind ein leibhaftiger Teil davon, profitieren vielleicht sogar davon. Eine ganz aktuelle Frage scheint mir. 
Paulus ist optimistisch: Die Todesmächte haben keine Macht mehr über den gekreuzigten Christus, also haben sie auch keine Macht mehr über uns. Paulus glaubt radikal an den Gott des Lebens, von dem die Bibel so viele Geschichten erzählt. Alle biblischen Geschichten, die wir heute gehört haben, sind Auferstehungsgeschichten.»

Die Drachmen

Die Bibel ist ein grosses Gespräch. Ein Gespräch zwischen Bibeltexten, das einlädt, dieses Gespräch weiter zu führen.

Liturgie schafft einen ganz besonderen Raum für das Wort Gottes und lädt Menschen ein, hineinzugehen und zu erfahren, was das Wort ihnen hier und heute sagen will.

Liturgie ist ein Raum für alle Fasern des Lebens.