Wir beraten

Ein Kongress ist ein Gespräch   

Rückblick auf den bibelpastoralen Kongress in Visp

Kongress 2010 Flyer

Maria magdalena kongress
Am Abend des 11. Septembers – im Anschluss an ein eindrückliches szenisches Spiel – wurde in der Dreikönigskirche von Visp Maria von Magdala offiziell zur Patronin der Bibelpastoral ernannt. 120 Personen waren bei dem feierlichen Akt anwesend, neben den 70 Teilnehmerinnen und Teilnehmern des internationalen bibelpastoralen Kongresses des Schweizerischen Katholischen Bibelwerks auch viele Menschen aus Visp und Umgebung.

Die Ernennung im Wortlaut

Das szenische Spiel «Mirjam lebt» wurde vom Diözesanvorstand Oberwallis des Schweizerischen Katholischen Bibelwerks zusammen mit schauspielerischen und musikalischen Profis gestaltet.

15 biblische Workshops

Die biblische Figur der Maria von Magdala hatte bereits den ganzen Tag über im Zentrum des Kongresses gestanden. In 15 Workshops näherten sich die Teilnehmenden mit den unterschiedlichsten Methoden an biblische Texte an, die von der Jüngerin Jesu erzählen, sowie an andere Bibeltexte. Der Kongress machte an diesem Tag sicht- und erfahrbar, wie vielfältig und kreativ die Auseinandersetzung mit der Bibel gestaltet wird. Die Bandbreite der Angebote reichte vom Bibliolog über sozialgeschichtliche Bibelarbeit, die Auseinandersetzung mit Bildern aus der Kunst, bei Kirchenführungen und mit Kinofilmen bis zur Herstellung von Abdrücken mit altorientalischen Siegeln und zu Bibelbegegnungen im Tanz und mit allen Sinnen. Neuere Entwicklungen in der Bibelwissenschaft und der Bibelpastoral wurden in Workshops zur jüdischen und zur kanonischen Bibelauslegung aufgenommen. Das politische Potential der Bibel wurde erfahrbar im Gespräch mit von Armut betroffenen Menschen über die Bibel und das Leben.

Die Workshops

Traditionen um Maria von Magdala

Maria Magdalena heft
Begonnen hatte der Tag mit einem Vortrag der in der Schweiz bestens bekannten Bibelwissenschaftlerin Prof. Sabine Bieberstein über «Maria von Magdala – Patronin der Bibelpastoral», in dem sie die verschiedenen neutestamentlichen und apokryphen Überlieferungen über Maria von Magdala und deren spätere Wirkungsgeschichte aufzeigte. Die Frau, die am eigenen Leib erlebte, was Reich-Gottes bedeuten kann, die zum engsten Kreis um Jesus von Nazaret gehörte, die ihm auf allen Stationen seines Weges nachfolgte und mit der das erste Zeugnis einer Auferstehungserfahrung verbunden ist, diese Frau wurde durch die Überlagerung mit anderen Traditionen als Sünderin, Ehebrecherin und Prostituierte diffamiert. Gleichzeitig entwickelten sich aber auch Traditionen, die gegen diese Diffamierung angingen und Maria von Magdala als «Apostolin der Apostel» wertschätzten. Mit Maria von Magdala lassen sich viele Impulse für eine befreiende, erfahrungsbezogene und geschlechtergerechte Bibelpastoral verknüpfen.

Ein Bibeltext ist ein Gespräch – genau wie die Bibelauslegung

Bereits am Freitag – nach der Eröffnung des Kongresses durch Thomas Englberger, den Präsidenten des Schweizerischen Katholischen Bibelwerks und dem Grusswort der Schweizer Bischofskonferenz, das Bischof Norbert Brunner überbrachte – hatten sich die Teilnehmenden durch einen besonderen Vortrag auf die Thematik eingestimmt. «Ein Bibeltext ist ein Gespräch» – das vermittelten Prof. Ruth Scoralick und Prof. Hans Ulrich Steymans von den Universitäten Luzern und Freiburg i. Ue. im Gespräch über die ersten Texte der Bibel, Genesis 1 und 2 und ihre Gesprächspartnerinnen: die altorientalische Umwelt und die anderen Bibeltexte, mit denen sie im Kanon der Bibel verbunden sind.


Was für Bibeltexte gilt und was die aktuelle Bibelauslegung immer mehr wahrnimmt – dass sie ein Gespräch sind – das wurde zum Leitmotiv des bibelpastoralen Kongresses. Es entwickelte sich ein grosses Gespräch zwischen den Teilnehmenden, in dem ihre jeweils besonderen Hintergründe zum Vorschein kamen. Bibelwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler kamen ins Gespräch mit Seelsorgerinnen und Seelsorgern aus der Gemeindepraxis, Vertreterinnen und Vertreter der unterschiedlichen methodischen Richtungen der Bibelarbeit kamen ins Gespräch miteinander, römisch-katholische und reformierte Traditionen tauschten sich aus, die je besonderen Verhältnisse in der Schweiz, Deutschland, Österreich, Luxemburg, Polen, Tschechien, der Slowakei und in Rumänien kamen zu Wort, denn aus all diesen Ländern waren Teilnehmende angereist.

Die Bibel in der Kirche

Am Freitagabend wurde ein intensives und konstruktiv kritisches Gespräch mit den Ergebnissen der Weltbischofssynode von 2008 in Rom geführt. In Gruppen diskutierten die Teilnehmenden 7 Thesen zu den Ergebnissen dieser Synode. Dabei ging es um die Vermittlung von exegetischen Grundkenntnissen für alle Bibellesenden, um die theologische und exegetische Ausbildung, die Bedeutung von Frauen in der Verkündigung, die Option für die Armen, die Bedeutung des Alten Testamentes und der jüdischen Bibelauslegung für Christinnen und Christen, die Rolle der Bibel in der Liturgie sowie um die Frage, wie – nach den Worten der Bischofssynode – «die Bibel zur Beseelung der gesamten Pastoral» beitragen kann.

Hintergründe zur Bischofssynode
7 Thesen zur Bibelpastoral

Bibel in der Liturgie

Maria magdalena Ikone
Jeder Morgen des Kongresses begann mit einer biblischen Besinnung, bei der Formen der lectio divina biblischer Texte gekostet werden konnten, die von Prof. em. Hermann-Josef Venetz gestaltet wurden. Am Sonntag Morgen legte die Churer Professorin Birgit Jeggle-Merz in ihrem Referat ein eindrückliches Plädoyer für die Gestaltungs- und Wirkkraft des Wortes Gottes in der Feier der Liturgie ab. Die zwei Zentren eines Gottesdienstes, der Tisch des Wortes und der Tisch des Brotes, wurden als die zwei Brennpunkte einer Ellipse sichtbar. Gleichzeitig wurde deutlich, welch weit reichende Veränderungen durch die Liturgiereform nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil in der Römisch-Katholischen Kirche vor sich gegangen sind, aber auch wo die angezielten Veränderungen noch nicht zur Wirkung gekommen sind. Welch ein Schatz hier der ökumenische Dialog ist, wurde deutlich spürbar.

Der Kongress schloss dann mit einem gemeinsamen Gottesdienst.

weiter und weiter ...

Das Schweizerische Katholische Bibelwerk nimmt von diesem Kongress eine reichhaltige Menge von Anregungen und Aufträgen mit. Sie betreffen die weitere Pflege des Netzwerkes Bibelarbeit, das auf dem Kongress in eindrucksvoller Weise erfahren wurde; sie betreffen die vielfältigen Formen von Bibelarbeit, deren Reichtum vielen Interessierten zugänglich sein soll, sie betreffen die Frage der biblischen Beseelung der Pastoral und sie betreffen die Konsequenzen der Wahl Maria von Madgalas als Patronin der Bibelpastoral.
Sabine Biberstein hat in ihrem Vortrag auf den Festtag der Heiligen Maria Magdalena, den 22. Juli, hingewiesen und das Interesse und die Lust geweckt, den 22. Juli 2011 zum nächsten, ganz besonderen Anlass für die Bibelpastoral zu machen. Viele weitere Ideen sind beim Kongress entstanden und wirken weiter.
Der bibelpastorale Kongress fand im 75-Jahr-Jubiläum des Schweizerischen Katholischen Bibelwerks statt, das unter dem Motto «weiter und weiter» steht. Dieses Motto ist zugleich eine Selbstverpflichtung zum weiter gehen, weiter sehen, weiter denken und weiter werden.

Ein Dank aus ganzem Herzen ergeht an dieser Stelle an die vielen Menschen, die sich für diesen Kongress und sein Gelingen engagiert haben! Mirjam lebt – auch in ihnen.