Wir beraten

Mit Menschen aus der Bibel unterwegs – ein Angebot für die Diakoniegruppe Wegbegleitung   

Ein Teilprojekt zur biblischen Beseelung der Pastoral

Vorüberlegungen und Ziele

«Wegbegleitung Leimental» ist ein gemeinsames Angebot der Römisch-Katholischen und der Reformierten Kirchgemeinde und wird unterstützt durch die politischen Gemeinden im Leimental und die Spitex. Das kostenlose Angebot richtet sich an Menschen in schwierigen Lebenssituationen. Diese Zielgruppe wird möglichst offen beschrieben: Menschen, die aussergewöhnlich belastet sind, Personen in Trennung, Arbeitslose, Alleinerziehende, Familien mit Kindern, Eltern mit behinderten Kindern, Angehörige von Schwerkranken, Verwitwete, Alleinstehende, einsame Menschen, Menschen mit psychischer Belastung. Freiwillige stehen diesen Menschen zur Seite und begleiten sie durch die Krisensituation. Die Freiwilligen selbst werden ausgebildet und von einer Fachperson (Sozialarbeiterin als Projektleiterin) begleitet. Zu dieser Begleitung gehören auch regelmässige Supervision und Weiterbildungen. Der Einsatz der Freiwilligen umfasst 2-5 Stunden pro Woche. Sie profitieren von dem Projekt, «weil sie eine sinnerfüllende Aufgabe übernehmen, weil sie ihre eigenen Sozialkompetenzen ausbauen können, weil sie an einer solidarischen Gemeinschaft mitgestalten, weil ihre Fähigkeiten weiter ausgebildet und entwickelt werden»[1].
Im Rahmen des Projektes der biblischen Beseelung der Pastoral entstand die Idee, den Mitgliedern der Freiwilligengruppe selbst eine biblische Wegbegleitung über den Projektzeitraum anzubieten. Die Mitglieder der Gruppe sollten sich eine biblische Figur mit ihrer Geschichte wählen, von der sie sich begleiten lassen wollten und auf die Suche gehen, wo sich ihre Lebens- und Glaubensgeschichte mit der der biblischen Figur berührte.

Vorgehen und Methoden

Das Angebot an die Freiwilligen wurde zunächst mit der Projektleiterin der Wegbegleitung Leimental, Inge Danke, vorbesprochen. Es sollte ein freiwilliges Angebot sein, ins Jahresprogramm der Gruppe (mit Einführungs- und Weiterbildungskurs) passen und vom Umfang her nicht zu viele Termine umfassen. Es entstand die Idee von zwei abendlichen Treffen (im November und im April), zwischen denen eine Begleitung per Mail stattfinden sollte. Das Angebot wurde im August 2010 per Brief und Mail an die Freiwilligen weitergegeben.

Aus der Ausschreibung:
Sie begleiten Menschen. Lassen auch Sie sich begleiten. Von einer Figur aus der Bibel und ihrer Weggeschichte …
Bei einem Treffen im November 2010 begegnen Sie verschiedenen Figuren aus der Bibel mit ihren Geschichten. Sie sind eingeladen, danach zu suchen, wo sich Ihre eigene Lebens- und Glaubensgeschichte mit den biblischen Weggeschichten verbindet, wo sich die Wege kreuzen oder ein Stück nebeneinander laufen. Sie können eine der biblischen Figuren auswählen und sich im Lauf der nächsten Wochen und Monate mit der Figur und ihrer Geschichte beschäftigen. Vielleicht führen Sie ein Tagebuch oder Sie schreiben der Figur Briefe oder... Wenn Sie möchten, bekommen Sie per Post oder Mail weitere Impulse zur Begegnung mit der biblischen Figur. Ende März oder Anfang April 2011 sind Sie zu einem weiteren Treffen eingeladen. Dort erhalten Sie Gelegenheit auf die zurückgelegte Wegstrecke zurückzublicken. Vielleicht kommen die verschiedenen biblischen Figuren auch miteinander ins Gespräch. Und sicher wird es Thema werden, welche Impulse die biblische Wegbegleitung für das Engagement in der Gruppe Wegbegleitung Leimental hat. Schliesslich können Sie sich dann von Ihrer biblischen Wegbegleitung verabschieden oder die nächste gemeinsame Wegstrecke planen...

Sieben Wegbegleiterinnen und ein Wegbegleiter meldeten sich an, eine Frau musste sich krankheitshalber  kurzfristig vor dem ersten Treffen wieder abmelden. Auch die Sozialarbeiterin nahm teil. Die Treffen fanden in der Reformierten Kirche und im reformierten Gemeindezentrum in Therwil statt.

Das erste Treffen
Beim ersten Treffen am 19.11.2010 bekamen acht biblische Figuren bzw. Figurengruppen einen Ort in der Kirche. Es handelte sich um Adam und Eva aus Gen 2-3, Menschen aus dem Volk Israel aus Ex 12, Mose, die Ältesten und das Volk aus Ex 17, die Kundschafter aus Num 13, Rut und Noemi aus dem Buch Rut, die Sterndeuter aus Mt 2, Jesus und die syrophönizische Frau aus Mk 7, die Emausjünger aus Lk 24. Jeder Ort wurde mit einem Tuch, einer Kerze, einem Bild der Figur(en), einem Vers aus dem Text und mit einigen Sätzen gestaltet, die helfen sollten, sich in die Situation der Figuren einzufühlen und sie auf die eigene Lebenssituation hin zu öffnen.

Zum Foto: Bildcollage aus dem Jahresbericht 2010 des Projektes Wegbegleitung Leimental von Inge Danke

 

Drei der gestalteten Orte seien modellhaft näher genannt:


1. Mose, die Ältesten und das Volk in Ex 17:
Bibelvers: «Ist Gott mitten unter uns oder nicht?» (2.Buch Mose/Exodus 17,7)
Sätze: Anklagen und auf die Probe stellen
Elementare Bedürfnisse ernst nehmen
An unerwarteten Orten Hilfe finden
Sich verbinden und vorangehen

2. Die Sterndeuter aus Mt 2:
«Wir haben seinen Stern aufgehen sehen und sind gekommen, um uns vor ihm niederzuwerfen» (Evangelium nach Matthäus 2,2)
Zeichen sehen und deuten
Suchen und finden
Sich vor neuem Leben verneigen
Im Traum klarer sehen als im Wachen

3. Jesus und die syrophönizische Frau aus Mk 7:
«Sie bat ihn, den bösen Geist aus ihrer Tochter auszutreiben» (Evangelium nach Markus 7,26)
Sich zurückziehen wollen
Sich nicht abweisen lassen, aufdringlich sein
Ungeschminkte Worte brauchen
Sich bewegen lassen

Die TeilnehmerInnen suchten alle Orte auf und entschieden sich für den, der sie am meisten ansprach. In einer ersten Runde antworteten sie auf die Frage, warum sie diesen Ort gewählt haben bzw. was sie an der jeweiligen Figur/Figurengruppe angesprochen hat. Nachdem alle von allen gehört hatten, was Gelegenheit, den Ort allenfalls noch zu wechseln. Gewählt wurden: das Volk Israel, Mose und die Ältesten (2x), Rut und Noemi, die Sterndeuter (2x) und die syrophönizische Frau (2x). Anschliessend war Zeit, den entsprechenden Bibeltext zu lesen. Dazu lagen Bibeln mit markierten Stellen bereit. Schliesslich begaben sich alle wieder an ihren Ort und wurden eingeladen, den anderen die Geschichte zu erzählen und sich dabei in eine der Figuren zu versetzen. Daran anschliessend wurden offene Verständnisfragen zu den Texten besprochen. Wieder gingen alle an ihren Ort und wurden wieder eingeladen, sich in eine Figur zu versetzen und eine entsprechende Haltung einzunehmen oder eine Geste zu machen. Dann führte die Leitung mit den Teilnehmenden in ihrer Rolle ein kurzes Gespräch mit den Leitfragen: Wer bist du? Was hast du erlebt? Wie geht es dir? Spürst du eine Sehnsucht?
Jetzt bekamen die TeilnehmerInnen ein leeres A4-Heft, in das sie die Bilder und texte einkleben konnten und das ihnen als Tagebuch für die Zeit der biblischen Wegbegleitung dienen sollte. Es bestand Gelegenheit für den ersten Eintrag in dieses Heft.
Zum Abschluss wurde ein weiterer Bibeltext vorgelesen, die Berufungserzählung des Mose am brennenden Dornbusch, Ex 3,1-12. Ausgehend von diesem Text wurden 4 Orte im Raum benannt:
– der Ort der alltäglichen Arbeit
– der Ort des Auftrags
– der Ort des Zweifels
– der Ort der Verheissung
Nacheinander besuchte die ganze Gruppe diese vier Orte. Jedesmal bestand die Einladung, aus der gewählten Rolle heraus, etwas zu diesem Ort zu sagen: Welches ist mein Alltag? Welchen Auftrag habe ich gehört? Wie heissen meine Zweifel? Welche Verheissung habe ich gehört? Diese Begegnung verschiedener Menschen am brennenden Dornbusch schloss den ersten Abend ab.

Die Begleitung per Mail
Die Gestaltung der weiteren Zeit der biblischen Wegbegleitung war den Teilnehmenden überlassen. Von Seiten der Leitung gab es drei Impulse per Mail:
am 21. Dezember, am 27. Januar und zusammen mit der Einladung zum zweiten Treffen am 3. März.
Die erste Mail erinnerte an den Abend, an die getroffene Wahl und an das, was für die Wahl gerade dieser Figur als bedeutsam genannt wurde. Daran schloss sich eine chassidische Geschichte an, die das Wort Gottes als Raum versteht.

 »Das Wort Gottes ist keine Lehre. Das Wort Gottes ist auch keine Stimme, obwohl eine Stimme seiner Wahrheit schon näher kommt. Das Wort Gottes ist vielmehr ein Raum und wir sind eingeladen, hineinzugehen, wahrzunehmen mit allen Fasern unseres Lebens, was das Wort uns hier und heute sagen will.«»œ (zitiert nach www.bibliodramaundseelsorge.ch)

Es wurde eingeladen, mit einer Frage wieder in den Raum des gewählten Textes hineinzugehen und zu spüren, was «das Wort hier und heute sagen will». Die Fragen wurden von den Erfahrungen am ersten Abend und von den Texten angeregt. Einige Beispiele:
1. zu Mose, den Ältesten und dem Volk in Ex 17: Mose schreit zu Gott und hat angst, dass das Volk ihn steinigt. Kennst du solche Ängste?
2. zu den Sterndeutern: Im Text tauchen drei Quellen auf, aus denen Neugierige schöpfen können: Sterne, Schriften, Träume. Welche Quellen sind für dich besonders fruchtbar?
3. zu Jesus und der Syrophönizierin: Es ist die Rede von einem Geist, der die Tochter der Frau krank macht. Was kommen dir für krankmachende Geister in den Sinn?
Es wurde keine Antwort erwartet, aber die Anregung gegeben, Antworten ins Tagebuch zu schreiben.
Die zweite Mail bot zu jedem Bibeltext eine weiterführende Auslegung aus dem digitalen Archiv des Bibelwerks an.
Die dritte Mail lud ein, den eigenen Bibeltext mit einem anderen Bibeltext ins Gespräch zu bringen. Zu Ex 17 war das die parallele Erzählung in Num 20, zu Mt 2 waren es Verse aus Jes 60 (5-6), die Mt vermutlich inspiriert haben und zu Mk 7 war es die Geschichte von Elija und der Witwe von Sarepta in 1 Kön 17.

Das zweite Treffen

Beim Treffen am 1.4. 2011 erinnerte die Leitung zunächst detailliert an die einzelnen Etappen des bisherigen Prozesses. Daraufhin bekamen die TeilnehmerInnen den Auftrag ihren Weg, den sie seit dem ersten Treffen in Begleitung ihrer gewählten Figur und Geschichte zurückgelegt hatten, darzustellen. Dazu lag eine Fülle von Materialien bereit: Steine, Federn, Muscheln, Symbole, Tücher … Durch den Weg sollte ein rotes Band als roter Faden führen. Nach der Fertigstellung ging die gesamte Gruppe von Ort zu Ort. Die Gestaltung und der rote Faden wurde erklärt. Es konnte nachgefragt werden.

Den Abschluss bildete Psalm 23, der zuerst miteinander gelesen und dann wiederum anhand von verschiedenen Orten begangen wurde:
– der Raum des Unterwegseins, der neuen Aufbrüche, aber auch der Unsicherheit
– der Raum des Angekommen- und Daheimseins, in liebevoller Gemeinschaft, aber auch manchmal zu eng und zu bequem
– der Raum der Todeschattenschlucht, der Brüche, des Unverständlichen
Die Teilnehmenden suchten sich ihren Ort und gaben ihrem momentanen Gefühl hier einen Namen.

Angedacht war gewesen, die verschiedenen biblischen Gestalten und ihre Geschichten miteinander ins Gespräch zu bringen. Das erwies sich aber als nicht machbar. Hier ist noch zu erforschendes Neuland angezeigt.

Es gab im Rückblick auf den gesamten Begleitungsprozess einige wichtige Erkenntnisse:
– die Impulse per Mail hatten v.a. beim einzigen männlichen Wegbegleiter gewirkt. Für die Frauen waren sie wenig hilfreich gewesen
– die kantigen Steine waren für die Gestaltung des Prozesses wichtig, weil sich die Figuren bzw. Texte in einigen Fällen auch als Stolpersteine bzw. Widerstände erwiesen hatten
– manchmal war der Bezug zwischen den Lebenserfahrungen in der Zeit des Projektes und der biblischen Figur der Teilnehmerin, die davon erzählte, gar nicht bewusst, wurde aber den Zuhörenden sofort deutlich und von ihnen zurückgemeldet
– in zwei Fällen hatte die biblische Figur als direktes Modell für eigene Prozesse gewirkt und gedient
– aus der späteren Auswertung des Abends ergab sich das Bedürfnis bzw. die Idee, die freiwilligen Wegbegleiterinnen in Zukunft mit einer liturgischen Feier mit biblischem Bezug für ihre Arbeit zu beauftragen. Die Idee wurde an die Pfarreiverantwortlichen weiter geleitet.

Im Jahresbericht 2010 des Projektes Wegbegleitung Leimental wurde die biblische Begleitung ausführlich dargestellt (s. www.wegbegleitung-leimental.ch)

Die Drachmen

Biblische Geschichten eröffnen Räume und laden ein, hineinzugehen. Biblische Figuren bieten sich als BegleiterInnen darin an. Ihre und unsere Geschichten berühren sich, zeigen Wege und Perspektiven auf, die sich als verheissungsvoll und heilsam bewährt haben.

Die Würmer
Würmer sind Modellorganismen für Laborversuche verschiedener Art. Vergleichbares lässt sich über biblische Geschichten und Gestalten sagen: Sie sind Modelle, an denen sich das Ringen um Gott im Leben von Menschen und auf ihrem Weg verfolgen und mitgehen lässt.