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Strenge Clubregeln (Teil 1)   

Text zum Unterrichtsprojekt «Stephanus»

Marlene, Lukas und andere Kinder aus ihrer Schule haben einen «Tierfreunde-Club» gegründet. Sofie, eine von Marlenes Freundinnen aus dem Ballett, ist ebenfalls Mitglied. Marlene findet das toll, aber Lukas möchte Sofie aus dem «Tierfreunde-Club» ausschliessen. Die beiden kriegen sich darüber in die Wolle.
Nanu! Was ist denn das? Marlenes Mutter hört wütende Stimmen und öffnet die Kinderzimmertür. Wie zwei Kampfhähne stehen sich Marlene und Lukas gegenüber und streiten, dass die Fetzen fliegen.

«Was ist los?», fragt Marlenes Mama. «Lukas ist ein richtiger Sturkopf!», schimpft Marlene. «Und du verletzt unsere Clubregeln!», schreit Lukas zurück.
«Moment mal!», verschafft sich die Mutter Gehör. «Welche Clubregeln?» Marlene erklärt: «Alle aus dem Tierfreunde-Club sind in unserer Schule. Und nun möchte Lukas, dass wir Sofie ausschliessen, nur weil Christian gesagt hat, dass sie Angst vor Spinnen hat. Aber das stimmt gar nicht. Sie findet sie nur ein bisschen eklig.»
«Du blöde Zicke!», schreit Lukas seine Freundin an. «Natürlich hat Sofie Angst vor Spinnen. Christian hat genau gesehen, dass sie gekreischt hat wie eine Sirene, als eine Spinne über ihr Heft gekrabbelt ist.» «Das hat sie nicht! Das ist eine verdammte Lüge!», schleudert Marlene ihm wütend entgegen.
«Bei euch geht es ja zu wie in der Urgemeinde in Jerusalem», lacht Marlenes Mutter. Da werden die beiden neugierig: «Was war denn da?», fragt Lukas. Da beginnt die Mutter zu erzählen:

Die ersten Christen in Jerusalem
«Nach dem Tod Jesu waren seine Freunde zuerst einmal geschockt, aber dann erlebten sie, dass mit dem Tod Jesu nicht einfach alles vorbei ist und sie begannen die Geschichte von Jesus zu erzählen und immer wieder stiessen ihre Worte auf offene Ohren. Viele Menschen wurden zu Christen. In der Apostelgeschichte wird berichtet, wie sich die gute Nachricht, die Jesus in Wort und Tat uns geschenkt hat, sich in aller Welt ausbreitet. Der Evangelist Lukas hat hier eine Fortsetzung seines Evangeliums geschrieben. Er hat mündliche und christliche Überlieferungen aus der Anfangszeit der christlichen Gemeinden gesammelt und gestaltete daraus eine spannende Geschichte vom Werden und Wachsen der Kirche.»
«Aber was hat das jetzt mit unserem Tierfreunde-Club zu tun?» frägt Marlene dazwischen.
«Sei nicht so ungeduldig. Dazu komme ich ja gleich», antwortet ihre Mutter. «Die Anfänge der Kirche waren nämlich gar nicht einfach. Es gab jede Menge Streit darüber, wer denn zur Kirche dazu gehören darf und wer nicht. Und was man tun muss, um dazuzugehören. Müssen denn zum Beispiel auch Nicht-Juden, die Anhänger von Jesus werden wollen, alle jüdischen Gesetze und Gebräuche übernehmen? Und gehören alle noch zum Judentum so wie Jesus selber?»
«Was hat das denn mit uns zu tun? Du hast doch gesagt, dass es damals so war wie bei uns?», frägt Lukas.
Mutter lacht und sagt: «Naja, sie haben so hitzköpfig gestritten wie ihr beide gerade eben… Nur vielleicht noch ein wenig schlimmer…»

Der Streit um Stephanus in Jerusalem
Marlenes Mutter erzählt weiter: «Bei dem Streit ging es auch darum, ob die Anhänger von Jesus, die ersten Christen noch zum Judentum dazu gehören oder nicht. Und es gab Juden, die wollten die Christen ausschliessen, weil sie in ihren Augen die jüdischen Gesetze und Bräuche zu wenig einhielten. Aber es gab auch andere Juden, die wollten, dass die Christen bleiben können. Und es waren leider auch Hitzköpfe darunter, die mit unfairen Mitteln kämpften.»
«Und was haben die dann gemacht? Haben die auch gelogen?» fragt Marlene. «Christian hat nicht gelogen!» rechtfertigt Lukas gleich seinen Freund.
«Damals gab es einen besonderen Streit um einen Mann namens Stephanus», erzählt die Mutter weiter. «Er wurde vor Gericht gezerrt. Und in der Apostelgeschichte heisst es, dass ein paar Menschen falsche Zeugen gegen Stephanus aufhetzten, die Lügen über ihn erzählten. Sie behaupteten, Stephanus hätte Mose lächerlich gemacht und gegen Gott geredet. Und Stephanus sei gegen den Tempel in Jerusalem.»
«So gemein», ruft Lukas dazwischen, «da hat er ja überhaupt keine Chance! Was hat Stephanus denn dann gemacht?»
«Stephanus hat toll reagieren können. Er hat sich nicht unterkriegen lassen, sondern sich mit einer brillanten Rede verteidigt, wo alle hören konnten, wie gut er die Bibel kennt und wertschätzt. Er ist mutig für seine Überzeugung eingestanden», erklärt die Mutter.
«Das muss ich unbedingt Sofie erzählen», ruft Marlene und springt davon.

Strenge Clubregeln (Teil 2)

Später am Abend redet Marlene nochmal mit ihrer Mutter über den Tierfreunde-Club. Die Mutter frägt: «Was sind denn eigentlich diese Club-Regeln, die Sofie angeblich nicht eingehalten hat?» Marlene zählt sie auf: «Jeder muss Tiere gern haben und muss irgendwas Gutes für Tiere machen. Tim und Mia sind zum Beispiel im Zolli-Kinder-Team, die helfen oft im Zolli beim Tiere-Pflegen und Kathrin wohnt auf dem Bauernhof. Ja, und Lukas und ich haben unsere Haustiere, zu den wir schauen.»
«Und Sofie? Was macht sie Gutes für Tiere?» frägt die Mutter.
«Sofie geht jeden Tag mit dem Hund ihrer Nachbarin Gassi», antwortet Marlene.

Ein paar Tage lang hört Marlenes Mutter nichts mehr von Lukas, Marlene und ihrem Streit über ihren Tierfreunde-Club. Doch dann kommt Lukas zu Besuch.

«Hallo Lukas. Wie geht»«˜s?» fragt Marlenes Mutter. «Ganz gut», erzählt Lukas. «Wir hatten gestern ein Treffen mit unserem Tierfreunde-Club. Und da haben wir die ganze Sache mit Sofie besprochen.»
«Und wie war»«˜s?» fragt die Mutter, «Habt ihr euren Streit lösen können?»

Marlene beginnt zu erzählen: «Zuerst war es ganz übel. Christian und Lukas haben gleich über Sofie losgeschimpft und haben sie gar nicht zu Wort kommen lassen. Und Christian hat sie sogar noch ausgelacht… Aber zum Glück hat sich Sofie auf das Treffen vorbereitet und dann hat sie all ihren Mut genommen und losgelegt. Sie hat eine richtige Rede gehalten. Da waren sie alle mucksmäuschenstill! Das hättest du sehen sollen, Mama!»
«Was hat sie denn gesagt?» fragt die Mutter.
«Sie hat uns gefragt, was wichtiger ist: alle Tiere gern zu haben oder für ein paar Tiere Gutes zu tun. … und dann hat sie noch gefragt, ob wir denn selber alle Tiere gleich gern haben oder ob wir Lieblingstiere haben», berichtet Lukas.
«Und da haben wir gemerkt, dass wir alle Tiere haben, die wir lieber mögen als andere», erzählt Marlene weiter, «und dass alle mindestens ein Tier haben, dass sie nicht so mögen. Das war echt spannend. Ich hab nämlich noch gar nicht gewusst, dass dein Lieblingstier das Seepferdchen ist, Lukas. Und das allerbeste ist: Sofie bleibt in unserem Tierfreunde-Club und niemand will sie mehr ausschliessen.»

«Dann habt ihr es ja besser gelöst als die Menschen damals in Jerusalem!» meint Marlenes Mutter. «Wollt ihr eigentlich noch den Schluss der Geschichte von Stephanus hören? Ich konnte euch ja den Schluss noch gar nicht erzählen, weil Marlene davon gesprungen ist.»
«Au ja!» rufen beide.
«Also: Stephanus hat seine Rede gehalten, aber die anderen haben ihm gar nicht richtig zugehört. Vielleicht wollten sie ihn auch gar nicht verstehen. Und die Worte von Stephanus waren sehr provozierend. Er meinte, Gott brauche kein Haus und keinen Tempel, weil der Himmel Gottes Thron und die Erde der Schemel für seine Füsse sei. Das war eigentlich nichts Neues für die Juden. Der Prophet Jesaja hatte das schon lange zuvor gesagt. Jedenfalls gab es am Ende seiner Rede einen ziemlichen Tumult. Alle waren total aufgebracht und knirschten mit den Zähnen. Und dann sagte Stephanus noch, dass er den Himmel offen sehe und Jesus zur Rechten Gottes. Das hat sie noch mehr in Rage gebracht. Sie trieben Stephanus zur Stadt hinaus und steinigten ihn.»
«Das ist ja voll schlimm», meint Lukas nachdenklich.
«Ja, seine ganze Klugheit und sein Mut haben Stephanus nichts geholfen. Das ist schlimm! Umso besser ist es, dass Sofie für ihren Mut belohnt worden ist, dass ihr Sofie zugehört habt und ihr so euren Streit im Guten habt lösen können», antwortet Marlenes Mutter.