Wir beraten

«Ich bin der kleine Moses...» E-Mail-Gespräch zur Predigtvorbereitung   

Ein Teilprojekt zur biblischen Beseelung der Pastoral

Die reformierte Pfarrerin, Juliane Hartmann, und der katholische Gemeindeleiter, Ralf Kreiselmeyer, waren für den Ökumenischen Gottesdienst am Eidgenössischen Dank-, Buss- und Bettag (19.9.2010) verantwortlich. Als Bibeltext wählten sie die Geburtsgeschichte des Mose in Exodus 2,1-10. Zur Vorbereitung luden sie die Begleitgruppe zu einem E-Mail-Gespräch über den Text ein. Wer teilnahm, sollte sich in eine Rolle aus dem Text versetzen. Im späteren Gottesdienst war vor allem die Gestaltung einer Tauffeier davon inspiriert.

Hier das Gespräch per E-mail:

ich bin der kleine Mose, zur zeit bin ich drei Monate alt.
Buber nennt mich wohlbeschaffen, die >mit der gerechten Sprache< «gesund und munter», die Einheitsübersetzung nennt mich einfach «schön» im Englischen bin ich «fine».
Also es muss schon etwas dran gewesen sein an mir – schon mit drei Monaten.
Warum ich mit drei Monaten schon sprechen kann fragst du dich?
Na weil ich im Zauberland geboren bin, dort bei den Grossen Pyramiden und dort wo Gott nicht nur eine metaphysische Grösse ist, sondern Realität.
Im Zauberland, wie bei «PUR», da kann mensch «spinnen, flitzen und fliegen».
Also lasst etwas von euch hören.

Moses oder auch Meusche

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Lieber Mose

Ich bin deine Mama – und das werde ich auch immer bleiben.
Inzwischen erzählen Menschen seit Jahrtausenden von dir – doch zuallererst warst du bei mir. in meinem Bauch und dann an meiner Brust.

So sehr hatte ich mich auf dich gefreut und mich zugleich auch geängstigt: wenn es nun ein Junge ist? Was dann?
Es musste doch einen Ausweg geben aus dem tödlichen Plan des Pharaos!

Zeit zu denken hatte ich in den Tagen und Nächten, in denen du an meiner Brust trankst oder schliefst-denn dann warst du ruhig und keiner der Soldaten, die durch die Strassen polterten, konnte dein Weinen hören. Tödlich wäre das gewesen!

Du wurdest grösser und lauter – und ich immer verzweifelter.
Ich wollte, dass du lebst. Wenigstens eine Chance solltest du haben.

So dachte ich mir den verrückten Plan mit dem Körbchen aus.
Der Nil schien mir selbst mit allen Strömungen, Krokodilen und andren wilden Tieren noch sicherer, als dich zuhause zu behalten.

Sicher gibt es auch heute noch für Kinder Gefahren und auch Eltern, die sich überlegen, wie sie ihre Kinder beschützen können – so gut wie eben möglich.

Du hättest jedenfalls nicht überlebt, wenn uns nicht jemand geholfen hätte: zuerst – Zufall oder Schicksal?- jemand, von dem ich es am allerwenigsten erwartet hätte: ausgerechnet die Tochter unseres Erzfeindes – und dann die Zivilcourage und Geistesgegenwart deiner Schwester – wir drei Frauen gemeinsame haben den bösen Plan des Pharao ausgebremst.

Und ich konnte sogar noch länger deine Mama sein.
Vielleicht hat dir das auch Mut gemacht hat für dein weiteres Leben, in dem du noch viele Gefahren bestanden hast?
Dann wär ich das Beste für dich gewesen, was ich nur sein konnte:

Deine Mama

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Lieber Moses, ich bin deine ältere Schwester. Ich habe ein Auge auf dich und werde es immer haben.

Warum? Sicherlich auch, weil du eben ein so «wohlbeschaffenes, gesundes und munteres, feines und schönes» Kind bist. Aber auch, weil ich ohne mein Zutun zu den Überlebenden zähle und du zu denen, die dem Tod ausgeliefert sind. Hier und jetzt ist das eine Geschlechterfrage. Knaben in den Nil! Mädchen leben lassen. Ein Mädchen zu sein als Geburtsvorteil! Das ist im bisherigen Verlauf der Menschheitsgeschichte eher die Ausnahme. «Normalerweise» ist es genau umgekehrt.

Oder zeigt sich selbst in dieser Ausnahmesituation, dass es dem Pharao gar nicht in erster Linie darum geht, das Wachstum unseres Volkes zu begrenzen. Es geht im viel mehr darum, jeden Widerstand gegen seine Herrschaft im Keim (!) zu ersticken und da fürchtet er die Knaben/Männer wohl mehr als die Mädchen/Frauen.

Ist er blind für die Widerstandskraft von Frauen? Wenn ich unsere Hebammen so reden höre, dann kommt mir das wirklich so vor.

Hat unsere Mutter das geahnt, als sie ihren «feinen, munteren, wohlbeschaffenen» Sohn besonders versteckte? Nach den Anweisungen des Pharaos waren ja doch alle Knaben bedroht, auch die weniger feinen, weniger wohlgestalteten und weniger gesunden. Oder stimmt das gar nicht?

Richtet sich der Vernichtungsblick des Pharaos vor allem auf solche Männertypen, die er als Konkurrenz um seine Macht ansieht?

Lieber Moses, ich habe ein Auge auf dich und ich habe ein Auge auf diese Männerwelt. Aber so ganz versteh ich sie nicht.

Deine Mirjam

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Meine Rolle war nur von kurzer Dauer und doch nicht unwesentlich. Ich bin das Schilfgras und habe das Körbchen eine Weile lang verborgen. Das, was uns in die Freiheit führen kann, ist gerne bedroht und verfolgt von anderen. Manchmal muss es versteckt, verheimlicht, verborgen werden. Verlassen, aufgegeben und ausgeliefert. Dann kann es wiedergefunden werden, manchmal auf eine Weise, die niemand für möglich gehalten hätten. Als das kleine Kind verborgen zwischen meinen Halmen lag, habe ich es gehütet, es hat auf das Rauschen des Windes gehört, der durch meine Halme fuhr. Seine kleinen braunen wachen Augen haben nach dem Himmel Ausschau gehalten. Geduldig hat es ausgeharrt und gewartet, schon voller Vertrauen, dass das noch gefunden werden nicht unmöglich ist.
Ich bin das Schilfgras und sage Euch:
Gottes Pläne sind nicht zu durchkreuzen,
IHR Wort geht aus und TUT was SIE will.
Mit freundlichen Grüssen

das Schilfgras

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Liebe Familie des Moses,
natürlich habe ich euer Versteckspiel durchschaut. Unterschätzt niemals eine ägyptische Prinzessin. Natürlich habe ich gemerkt, was da geschehen ist. Kaum hatte meine Sklavin das Kind aus dem Wasser geholt, da taucht auch schon die junge Frau auf, die mir eine Amme besorgt. Die Amme ist, das ist auf den ersten Blick zu erkennen, die Mutter der jungen Frau. Ein Blick auf die «Amme», wie sie das kleine Kind in den Arm nahm und anstrahlte, genügte und dann war mir klar, dass sie auch die Mutter des kleinen Jungen ist. Ich habe das Spiel mitgespielt. Warum auch nicht. Ich hatte Mitleid. Ich leide mit.

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Sehr geehrter Verfasser der Moses-Geschichte (oder bist du eine Verfasserin?),

meine Hochachtung! Diese Satire ist wirklich gelungen. Ich kann das beurteilen, denn ich habe schliesslich die Geschichte verfasst, die durch deine Moses-Geschichte parodiert wird. Ich bin der Verfasser der Legende, wie der hochmächtige König von Assyrien an die Macht kam. In der brutalen Wirklichkeit war es natürlich ein Militärputsch. Fertig aus. Aber das macht sich nicht gut in der Königspropaganda. Dazu kommt, dass der neue Herrscher des mächtigsten Reiches unserer Welt von ganz unten kommt. Der Vater ist unbekannt, die Mutter von zweifelhafter Herkunft. Es ist besser, wenn davon nicht allzu viel die Rede ist in der Öffentlichkeit. So kam ich ins Spiel und erzählte die Geschichte, wie der spätere König, der Sohn einer Göttin, aufgrund von Streitigkeiten zwischen Göttern als kleines Kind auf dem Wasser des Eufrat ausgesetzt wurde. Er wurde auf wunderbare Weise gerettet und trat seinen Siegeszug an, der ihn jetzt auf den höchsten Thron gebracht hat. Seine Macht ist grenzenlos. Wehe denen, die sich ihm widersetzen.
Euer Volk hat es versucht und musste dafür einen hohen Preis zahlen. Euer Land ist erobert, euer Volk ist nach Assyrien deportiert worden. Jetzt müsst ihr bei uns Ziegel brennen und unsere Städte bauen. Aber Respekt. Ihr gebt nicht auf. Ihr erzählt Geschichten. Wie die von Moses, die – wie gesagt – die Geschichte unseres Grosskönigs parodiert. Natürlich, ihr sprecht von Ägypten und nicht von Assyrien. Ihr verlegt die Geschichte viele hundert Jahre in die Vergangenheit. Aber wer Ohren hat, der höre. Ich höre, dass ihr nicht aufhört, daran zu glauben, dass es Mächte gibt, die noch grösser sind als die des Königs von Assur. Auch wenn die Realität dagegen spricht. Das kann ich mir nicht vorstellen. Ich überlege, ob ich dem König eure kleine Parodie vorlesen soll. Nein, lieber nicht. Er hat wenig Humor, wie die meisten Mächtigen. Aber ich freue mich an eurer Satire. Danke schön dafür.

Der Hofschreiber von Assur

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Ich bin der Nil. Der Lebensstrom – die Lebensader Ägyptens.
Ich fliesse von der Quelle zum Meer, bin Lebensraum für so viele Tiere: Fische, Vögel, aber auch Nilpferde und Krokodile.
Ich bin unberechenbar. Ich bin morgen schon anders als heute.
Meine Stromschnellen sind berüchtigt.
Meine Überschwemmungen werden sehnsüchtig erwartet und mit einem Fest gefeiert, weil ich fruchtbaren Schlamm mitbringe.
Die Krokodile wissen genau wo sie ihre Eier ablegen müssen, so dass sie nicht weggeschwemmt werden aber auch nicht in der sengenden Hitze austrocknen.
Eine kurze Zeit hab ich das Binsenkörbchen mit dem Menschenkind getragen dort am Ufer, wo sich das Leben der Menschen oft abspielt. Menschen, die baden oder fischen oder waschen.
Da hab ich eine Frage an die Pharaonentochter: Warum bist du an mein Ufer zum Bad gekommen? Warst du die sterilen Badewannen im Palast leid? Wolltest du ein rituelles Bad nehmen? Oder war es Langeweile? Die Suche nach einem Abenteuer?

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Lieber Nil,
ich danke dir für deine Fragen. Es sind gute und wichtige Fragen für mich, die ägyptische Prinzessin. Du bist wirklich unsere Lebensader. Wir brauchen dich zum Leben – mit deinen Anfragen an uns. Mir war bisher gar nicht ganz bewusst, warum ich an den Nil zum Baden gegangen bin. Aber deine Frage hat es mir bewusst gemacht.
Ich hatte gehört, dass mein Vater der Pharao befohlen hat: «»Alle Knaben, die den Hebräern geboren werden, werft in den Nil» (Ex 1,22). Das hat mir keine Ruhe gelassen. Deswegen habe ich den Palast verlassen. Ich wollte..., ja ich weiss nicht genau was ich wollte. Ich wollte mit eigenen Augen sehen, was passiert. Ich habe insgeheim gehofft, dass genau das passiert, was wirklich passiert ist. Eine der Hebräerinnen hat den Befehl des Pharao kreativ und lebensrettend ausgeführt. Einer der Knaben hat überlebt. Ich habe ihn gefunden. Ich habe entdeckt, dass die Macht des Palastes Grenzen hat. Dass es etwas gibt, was stärker ist als der Pharao. Das wusst ich eigentlich schon als ich zum Nil bin. Du, Nil, bist ebenfalls stärker als der Pharao. Von dir ist alles Leben in Ägypten abhängig, auch das Leben im Palast. Danke, Nil.

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GesprächsteilnehmerInnen:
Juliane Hartmann, Ralf Kreiselmeyer, Elke Kreiselmeyer, Jutta Achhammer Moosbrugger, Peter Zürn