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Biblische Beseelung der gesamten Pastoral: Projektentwurf   

Entwurf für ein gemeinsames Projekt der Bibelpastoralen Arbeitsstelle des Schweizerischen Katholischen Bibelwerks und der Pfarrei St. Stephan in Therwil/Biel-Benken BL im Jahr 2010 im Rahmen des Jubiläums 75 Jahre SKB – «weiter und weiter»

1. Vorüberlegungen

Bibelpastoral zu fördern, nicht im Nebeneinander mit anderen Formen der Pastoral, sondern als biblische Beseelung der gesamten Pastoral – das ist für die Bischofssynode 2008 (»Das Wort Gottes im Leben und der Sendung der Kirche») eine der wesentlichen Zukunftsaufgaben der Kirche. Das Schweizerische Katholische Bibelwerk will dazu in seinem Jubiläumsjahr 2010 durch ein innovatives Projekt in der pastoralen Praxis beitragen. Ein Jahr lang werden die Pfarrei St. Stephan in Therwil/Biel-Benken BL und die Bibelpastorale Arbeitsstelle des Schweizerischen Katholischen Bibelwerks zusammenarbeiten. Ein Jahr lang wird ein Mitarbeiter der BPA die Pfarrei bei ihren Aktivitäten begleiten. Ziel dieser Begleitung und Zusammenarbeit ist es nicht, neben all die bestehenden Aktivitäten und Gruppen zusätzlich neue biblische Angebote zu machen, sondern Ziel ist die biblische Beseelung der Pastoral, wie sie gegenwärtig gestaltet wird und sich weiter entwickelt.

Die folgenden Überlegungen basieren auf einem ausführlichen Gespräch zwischen Peter Zürn, Fachmitarbeiter der Bibelpastoralen Arbeitsstelle und dem Gemeindeleiterehepaar von St. Stephan, Elke und Ralf Kreiselmeyer am 30.4.2009. Sie verstehen sich als Entwurf und laden ein zur Kritik und zum Weiterdenken.

Ein Projekt, das so eng auf die Bibel bezogen ist, ist von dieser Grundlage her weit offen für ökumenische Vernetzung. Die katholische und die reformierte Kirche arbeiten vor Ort eng zusammen, die Verbindungen sind vielfältig und bereichernd. Deswegen ist es überaus wünschenswert, wenn auch das Projekt «Biblische Beseelung» sich in ökumenischer Weite und auf der Grundlage von ökumenischer Zusammenarbeit entwickeln würde.

Das Projekt ist als offener Prozess gestaltet. Es werden Anfangsimpulse gesetzt. Rote Fäden, die sich durch das Jahr ziehen sollen, werden in den Teppich der Pfarrei eingewoben. Was sich aus ihnen konkret entwickelt und welche Muster entstehen, wird der Verlauf des Jahres zeigen. Die zentrale Form des Projektes ist die Begegnung zwischen dem Mitarbeiter der Bibelpastoralen Arbeitstelle und den Menschen in der Pfarrei als Einzelpersonen, Gruppen und Teams. Der zeitliche Umfang der Kooperation ist so veranschlagt, dass im Laufe des Jahres ca. 50 Begegnungen möglich sind, also im Durchschnitt eine Begegnung pro Woche. Was sich durch die gemeinsame Arbeit an der biblischen Beseelung der Pastoral verändert und entwickelt, soll so gestaltet werden, dass es auch nach Ablauf des Projektjahres weiterwirkt (Nachhaltigkeit) und in Verantwortung der Pfarrei weitergeführt werden kann.

Als Drehscheibe für die Entwicklung von Impulsen in der Pfarrei und für die Reflexion von Wirkungen und Entwicklungen braucht es eine Begleitgruppe. Sie besteht im Idealfall aus 6-8 Personen, die mit Gruppen und Einzelpersonen aus dem kirchlichen und sozialen Umfeld verbunden sind. Zu dieser Gruppe sollte unbedingt auch eine Vertretung der reformierten Gemeinde gehören, z.B. die für Ökumene zuständige Pfarrerin. Die Gruppe besteht aus Haupt- und Ehrenamtlichen Mitgliedern. Sie sollte sich im Verlauf des Projektes regelmässig treffen. Die Aufgabe der Begleitgruppe besteht darin, zu sehen, zu hören, zu spüren, was sich während des Projekts in den Gemeinden bewegt und mitzudenken, wie sich das Projekt weiter entwickeln soll. Die Arbeit in der Begleitgruppe wird selbst biblisch beseelt sein (s.u.).

Das gemeinsame Projekt wird laufend dokumentiert und in einer Zwischen- und einer Schlussauswertung reflektiert. Die Erfahrungen werden aufbereitet und in geeigneter Form publiziert, so dass sie anderen Pfarreien und Seelsorgestellen als Modell zur Verfügung gestellt werden können.

2. Rote Fäden

Angedacht ist, dass sich die Begleitung zunächst auf zwei (oder drei) wichtige Gruppen in den Gemeinden konzentriert, die über ihren eigenen Kreis hinaus in die Gesamtpastoral wirken. Dabei handelt es sich um die Begleitgruppe, den Kirchenchor und evtl. um die Ökumenische Gruppe Wegbegleitung Leimental – immer selbstverständlich vorbehaltlich der Zustimmung der Gruppen.

2.1. In der Begleitgruppe werden die Impulse, die in die Pastoral eingebracht werden, besprochen und ihre Wirkungen reflektiert. Die Mitglieder der Gruppe arbeiten selbst daran, ihre Rolle und Aufgabe biblisch zu vertiefen und zu beseelen. Eine Form dieser Arbeit kann das Bibliodrama sein. Im Bibliodrama erscheinen biblische Geschichten als Identifikationsangebot. Sie laden dazu ein, einen Platz in der langen Heils- und Unheilsgeschichte zu finden. Sie stellen die Teilnehmenden auf den Boden der Überlieferung mit ihren Wegen und Umwegen, Widerständen und Ressourcen – als Einzelne und als Teil einer Gemeinschaft von Glaubenden und Suchenden (Kirche). Die Ziele dieser Auseinandersetzung liegen sowohl in der Glaubensvertiefung einzelner Menschen als auch in der Zukunftsfähigkeit christlicher Gemeinden. Die genaue Gestaltung der Arbeit erfolgt in Absprache mit der Gruppe und reagiert in einem offenen Prozess auf die Entwicklungen.

2.2. Der Kirchenchor der Pfarrei St. Stephan wird Ende 2010 das Oratorium «Der Messias» von G.F. Händel aufführen. Die Vorbereitung, die Probenzeit und die Aufführung des Oratoriums werden biblisch begleitet und vertieft. Die genauere Formen dieser Begleitung entstehen im Gespräch mit den Verantwortlichen für den Chor bzw. mit dem Gesamtchor. Zur Pfarreitradition gehört es, dass der Kirchenchor einige der Lieder, die zur Aufführung kommen, im Vorfeld auch in den Gemeindegottesdiensten singt. Dadurch bietet sich die Gelegenheit, die Gottesdienstgemeinde in die biblische Vertiefung des Chorprojektes einzubeziehen. Thematisch dürfte die Auseinandersetzung mit der «Messias»-Thematik Fragen zum Verhältnis von Altem und Neuem Testament und von Judentum und Christentum aufwerfen: Inwiefern ist Jesus von Nazareth der in der Schrift verheissene Messias? Was bedeutet Verheissung und Erfüllung im biblischen Kontext? Was bedeutet es für uns, dass die Mehrzahl der jüdischen Menschen nicht glaubt, dass Jesus der Messias war und ist? Fragen von drängender Aktualität.

2.3. Die Gruppe Wegbegleitung Leimental besteht aus Freiwilligen, die Menschen in Krisensituationen ein Stück auf ihrem Weg begleiten. Die Freiwilligen werden dabei selbst begleitet, durch professionelle Leitung der Gruppe, Supervision und Weiterbildung. Im Projektjahr 2010 kommen dazu Angebote der biblischen Vertiefung und Beseelung der Arbeit. Ein roter Faden kann es dabei sein, der eigenen Berufung zu diesem Engagement in Begegnung mit biblischen Berufungsgeschichten nachzugehen und sich von ihnen herausfordern zu lassen. Die genauere Ausgestaltung entsteht auch hier im Gespräch mit Verantwortlichen bzw. der Gesamtgruppe. Das Projekt Wegbegleitung ist ein Ökumenisches Projekt.

2.4. Wenn es gelingt, das Projekt in ökumenischer Weite und mit Beteiligung der reformierten Kirchgemeinde zu gestalten, können weitere ökumenische Bereiche in das Projekt miteinbezogen werden. Hier ist zu denken an den Ökumenischen Religionsunterricht auf allen Stufen, die ökumenischen Freiraumgottesdienste, das ökumenische Projekt Chirche für chlini Lüt und den ökumenischen Kinderchor Ökiko.

3. Biblische Anfangsimpulse

Das gemeinsame Projekt von Bibelwerk und Pfarrei St. Stephan startet in der Fastenzeit 2010 mit einem Gottesdienst. Einen inhaltlichen Anfangsimpuls setzen eine oder mehrere Predigten in der Fastenzeit. Biblisch stehen dabei zwei Anfangsgeschichten im Zentrum. Es handelt sich zum einen um die Erzählungen aus der Anfangszeit der christlichen Kirche in der Apostelgeschichte und zum andern um die Anfangsgeschichten des Volkes Gottes im Buch Genesis, bei denen die biblischen «Erzeltern» Abraham und Sara im Mittelpunkt stehen. Der Zugang zu den Erzählungen in der Apostelgeschichte bildet die Figur des Stephanus, des Kirchenpatrons. Die Verbindung zu Abraham (und zum Motto des Jubiläumsjahrs des SKB) schafft Stephanus selbst. In einer grossen Rede, die in Apostelgeschichte 7 gestaltet ist, erinnert er an den Aufbruch Abrahams und Saras aus ihrer Heimat in ein neues verheissenes Land (Apg 7,2ff. und Gen 12ff.). Eine Formulierung aus Gen 12,9 (»Dann zog Abram weiter und weiter dem Südland zu» (Übersetzung nach der neuen Zürcher Bibel) hat der Zentralvorstand des Schweizerischen Katholischen Bibelwerks sich zum Jubiläumsmotto gewählt: «weiter und weiter». Es bringt zum Ausdruck, dass wir nicht neu beginnen, sondern weitermachen mit dem, was Generationen vor uns an bibelpastoralen Impulsen gewirkt haben. Unser heutiges Wirken soll dabei angesichts neuer kirchlicher und gesellschaftlicher Verhältnisse über die traditionellen Zielgruppe und Milieus hinaus wirken, also weitere Kreise ziehen, es soll den Blick auf die Bibel und den Zugang zu ihr weiter werden lassen, so dass die Pluralität der Bibel genauso erkennbar wird wie die Pluralität heutiger Lebens- und Glaubensvollzüge und es soll schliesslich bei Menschen eine Weite des Glaubens bewirken, wie sie der Weite biblischer Glaubenserfahrungen und Glaubenszeugnisse entspricht.

Die Aufbrüche der Erzeltern Sara und Abraham und die Aufbrüche der Menschen in der Nachfolge Jesu im 1. Jahrhundert eröffnen einen Raum, in dem die Mitglieder der Pfarrei Therwil mit ihrer eigenen Geschichte und angesichts der gegenwärtigen Situation in Kirche und Gesellschaft nach Aufbruchsimpulsen und Wegweisungen fragen.
Stephanus und Abraham/Sara sind nicht als isolierte Einzelfiguren von Bedeutung. Sie sind Teil eines Netzwerkes von Menschen, Frauen und Männer, und dienen als Identifikationsfiguren für Menschen, die in Verbindung miteinander nach dem Gott der Bibel fragen und sich von der Geistkraft Gottes herausrufen und herausfordern lassen. Sie sind Leitfiguren für Gemeinde und Volk Gottes.

Aus diesen Anfangsimpulsen können sich weitere rote Fäden durch das Projektjahr entwickeln. Welche das sind und wie sie weitergewebt werden, hängt von den Resonanzen in der Pfarrei ab.

Wertvolle theologische Anregungen liefert das gerade neu erschienene Buch «…biographischer und spiritueller werden». Anstösse für ein zukunftsfähiges Christentum, das Christoph Gellner von Universität Luzern im TVZ-Verlag Zürich herausgegegeben hat und das auf eine Tagung des Instituts für kirchliche Weiterbildung IFOK im April 2008 zurückgeht.

4. Projektphasen

Bei aller Offenheit des Projektverlaufes lassen sich jetzt schon folgende zu erwartenden Phasen skizzieren:

Sommer 2009
Vorüberlegungen, Vorgespräche, Konzeptarbeit, Entscheidung zum Projekt
Herbst/Winter 2009
Bildung einer Begleitgruppe
Fastenzeit 2010
Bekanntmachen des Projektes in der Pfarrei, Anfangsimpulse
Ostern bis Weihnachten 2010
Projektphase mit Begegnungen und Impulsen Offener Verlauf
Sommer 2010
Zwischenauswertung und evtl. Neuausrichtung
Anfang 2011
Sicherung der Nachhaltigkeit und Abschiedsphase, Schlussauswertung, Publikation