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Die römisch-katholische Kirche muss evangelischer werden um wirklich katholisch zu sein   

Grussadresse von Benno Schnüriger vom Synodalrat der Katholischen Körperschaft des Kantons Zürich zur Eröffnung des Jubiläumsjahres

Zum 75. Geburtstag des Schweizerischen Katholischen Bibelwerks überbringe ich Ihnen die herzlichen Glückwünsche des Synodalrates der Katholischen Körperschaft des Kantons Zürich. Als Mitglied der Kirchgemeinde und Pfarrei Dreikönigen tu ich das besonders gerne.

Ich muss gestehen, dass mir als so genannt «normaler Katholik» die Bibelfestigkeit etwas abgeht, oder abgegangen ist. Seit dem es mich auf das Präsidium des Synodalrates gespült hat, lese ich quasi von Amtes wegen die Schweizerische Kirchenzeitung. Dabei komme ich natürlich nicht um die Beachtung der Betrach-tungen zum Lesejahr herum. Aber es dies weit mehr als eine lästige Pflicht. Diese Betrachtungen binden meine Gedanken immer wieder an die heiligen Schriften und die Frohe Botschaft an. Auf immer neue und immer überraschende Art und Weise. In der Ausgabe vom 11. März dieses Jahres stehen die Ausfüh-rungen von Simone Rosenkranz unter dem Titel «Jesus als Kon-fliktmanager». Sie beginnt den Text dann mit einem Dauer-brenner interreligiöser Konflikte: Es geht um die Stellung der Frau in der damaligen Gesellschaft und in den Religionen. Sie schildert nun, wie Jesus mit diesem Konflikt umgegangen ist: «Er teilt keine ungenügend begründeten Anschuldigungen aus, sondern ruft die Ankläger zunächst einmal zur Selbstreflexion aus. Auch Jesus selber bestraft die Frau nicht, sondern ruft sie zur Umkehr auf. Das Vorbild von Jesu unaufgeregtem Verhalten in dieser brenzligen Situation könnte nicht nur die grossen Konflikte etwas entschärfen, sondern vielleicht auch in kleinen alltäglichen Reiberein weiterhelfen.» Die Gedanken schliessen wie folgt: «Nicht der eigene gute Ruf, das Bestreben, am Schluss gut dazustehen, soll beim Lösen eines Streitfalles im Zentrum stehen.»

Nun mangelt es der Kirche gegenwärtige wahrlich nicht an grossen und kleinen Konflikten. Da sind gute «Konfliktmanager» gefragt. Aber diese kommen und gehen. Angezeigter wäre ein gutes «Konfliktmanagement». Es gibt wohl keine Lebenssituation, die nicht mehrere Deutungen zulässt und damit unterschiedliche Möglichkeiten erfordert, wie damit umgegangen werden soll. Mit Blick auf die vom zweiten Vatikanum angemahnten Verhaltensweisen heisst das: «Wir müssen die Kirche wieder weltethisch bewohnbar machen und auch bewohnen. Das erfordert wie es Alfons Auer formuliert: Übergänge. Statt einer statischen Ordnungsethik eine Beziehungsethik, statt einer Sanktionsethik eine Angebotsethik, statt einseitig normativer Ethik, Entwürfe ethischer Modelle, statt archaischer Begründung von Autorität, eine kritische Rationalität und eine erleuchtete Gläubigkeit.» Jesus als Konfliktmanager hat sich bei der Beantwortung der Frage, ob eine Ehebrecherin hingerichtet werden soll, an diesen Grundsätzen des Konfliktmanagements orientiert.
Oder als Hommage an die Arbeit des katholischen Bibelwerks formuliert: Die römisch-katholische Kirche muss evangelischer werden um wirklich katholisch zu sein.