Wir beraten

Dritter Brief von Junia an die versammelte Schwesterngemeinde in Luzern   

1 Junia, berufen allein durch die Verpflichtung gegenüber dem Gebot der Wahrhaftigkeit, 2 an die feministische Gemeinde der im RomeroHaus Luzern versammelten Schwestern. 3 Vor allem grüsse ich Monika, Susanne Andrea und Li, Mitarbeiterinnen und Mitstreiterinnen im selben Werk. 4 Unter euch wohnen Gnade und Friede.
5 Seit langem habe ich danach verlangt, Euch zu sehen. 6 Meine Pastoralreisen führen mich zur Zeit vor allem in die Diaspora, deshalb fehlt mir auch in diesem Jahr die Zeit, zu Euch zu kommen. Ich habe meine Schwester Chloe auf den Weg geschickt, 7 um euch meine Antwort auf euren letzten Brief zu überbringen.
8 Ihr habt euch verdient gemacht im Werk unseres Bruders und Meisters Jesus Christus, die einen als Pastoralassistentinnen, die anderen als Katechetinnen, Religionslehrerinnen, oder in der Erwachsenenbildung, einzelne von euch als Gemeindeleiterinnen. 9 Ihr beklagt euch darüber, dass ihr immer wieder an dieselben Grenzen stosst, 10 und dass vor allem kirchenpolitisch von Seiten unserer Brüder im Bischofsamt keine Veränderungen zu erwarten seien, die eure Stellung in den Gemeinden verbessern würde, dass euch aber auch seitens der Mitbrüder, die in euren Gemeinden aktiv sind, zu wenig Wertschätzung und Vertrauen entgegen gebracht wird.

11 Ihr seid nun an diesem Tag zusammen gekommen, um über eure Situation in der Kirche zu sprechen. 12 Ich möchte deshalb heute vom priesterlichen Auftrag und Amt der Frauen in der Kirche zu euch sprechen, von den Gaben der Geistkraft, wie sie euch allen geschenkt sind.

13 Ihr alle seid berufen, als Seelsorgerinnen den Menschen zu dienen. 14 Was nun die Frage der Ermächtigung anbelangt, müsst ihr Folgendes bedenken:
Berufung geschieht immer in der Geistkraft Gottes, Ermächtigung jedoch geschieht mit den Werkzeugen und im Geist der Welt, die nicht immer oder noch nicht von der Geistkraft, wie sie Jesus, unser Bruder, verkündet und gelebt hat, erfüllt sind. 15 Daher kann es geschehen, dass Männer in mächtigen Positionen agieren, deren Berufung aber noch nicht offenbar geworden ist. Und es kann passieren, dass eine Berufene fast ohne weltliche Ermächtigung arbeiten muss. Beides erzeugt ungeheure Spannungen.

16 Gott hat der Gemeinde unterschiedliche Aufgaben gestellt, da sind erstens Apostel und Apostelinnen, zweitens Prophetinnen und Propheten, drittens Lehrerinnen und Lehrer, 17 weiterhin die Aufgaben: Erweise der Macht Gottes zu vollbringen, zu heilen, zu helfen und zu leiten oder die Fähigkeit zu entwickeln, Gott gegenüber eine besondere Sprache zu sprechen. 18 Es gibt Unterschiede in den geschenkten Fähigkeiten, doch es ist dieselbe göttliche Geistkraft, die in allen alles in gleicher Weise bewirkt.
19 Schwestern, ich bitte euch, wenn ihr jetzt über eure Situation in der Kirche nachdenkt, auch die Situation der Frauen zu bedenken, die in euren Gemeinden die Mehrheit bilden und engagiert am spirituellen und liturgischen Leben ihrer Kirche teilnehmen. 20 Das Leben in den Kirchen wäre ohne sie nicht denkbar. In den vielen verschiedenen Laienämtern – in der Diakonie, im Engagement für die «Eine Welt», beim Spendensammeln, in Unterricht und Beratung – übernehmen sie eine aktive Rolle. 21 Aus allen diesen Möglichkeiten der Beteiligung gewinnen sie Stärke und Befriedigung, auch wenn ihr Beitrag nicht immer anerkannt wird und sie in diesen Bereichen keine Leitungsfunktionen erreichen können.
22 Alle diese Gaben benötigt die Kirche ohne Unterschiede, wenn sie eine Zukunft haben will. 23 Bestärken wir einander, liebe Schwestern, in unseren Fähigkeiten; bestärken wir einander in der Vollmacht, heilsam wirken zu können. 24 Ihr seid lebendige Briefe, von Gott in die Welt gesandt, um in ihr Recht und der Gerechtigkeit zu schaffen.

25 Ihr seid zur Freiheit berufen, Schwestern, nur sei die Freiheit kein Vorwand dafür, es der herrschenden Weltordnung nachzumachen, sondern in Liebe sollt ihr einander dienen. 26 Wenn ihr euch von der Geistkraft leiten lasst, steht ihr nicht unter der Gesetzesanordnung. 27 Was jedoch die Gleichschaltung mit der herrschenden Weltordnung hervorbringt, ist offenbar: Das sind Missbrauch von Sexualität, Dienst an den Götzen und Hantieren mit bösen Zauberkräften, Feindschaften, Streit, Eifersucht, Konkurrenzdenken, Missgünsteleien und dergleichen. 28 Von diesen Dingen sage ich euch voraus, wie ich es schon getan habe: Diejenigen, die solches tun, werden das Reich Gottes nicht erben. 29 Die Frucht aber der Geistkraft ist Liebe, Freude, Friede, Grossmut, Freundlichkeit, Treue. Solchen Dingen steht das Gesetz nicht entgegen!

30 Unsere Kirche hat nur eine Zukunft, wenn Frauen und Männer einander voll vertrauen und ihre Integrität gegenseitig achten können. 31 Eine wirkliche Gemeinschaft kann nur erreicht werden, wenn Frauen und Männer ihre Charismen anerkennen und gleichwertig und partnerschaftlich zusammenwirken; 32 wenn Frauen die volle und gleichberechtigte Teilhabe an der Leitung der Kirche, in kirchlichen Gremien und Kommissionen zugestanden wird.

33 Es gibt mir zu denken, was ich von unseren Schwestern in Deutschland und Österreich höre. 34 Und es erfüllt mich mit Sorge, dass Vitus, auch er ein Bruder in Christus, mit seinen jüngsten Entscheidungen hinter alle Ziele des 2. Vatikanischen Konzils zurückgegangen ist. Sein Dienst an der Kirche ist ein schlechter Dienst an der Volkskirche von engagierten Christinnen und Christen.

35 Schwestern, ihr seid auf dem richtigen Weg. Tut alles, damit euch der helvetische Sonderstatus offen bleibt. 36 Haltet euch an mich als euer Vorbild, so wie ich mich an das Vorbild unserer Vorschwester halte: an die grosse Apostelin Maria Magdalena, die nicht zögerte, mit Petrus tief greifende Konflikte zu besprechen

37 Grüsst alle Geschwister, die in der Gemeinschaft mit Christus stehen. Es grüssen euch die Schwestern und Brüder, die bei mir sind. 38 Grüsst Angela und Hildegard, Claudia und Karin, Denis und Barbara. 39 Der Gruss erfolgt mit meiner, der Junias Hand. Das ist das Zeichen der Echtheit in jedem Brief, so schreibe ich!
40 Friede sei mit euch allen und eure Hoffnung möge unvergänglich sein.

Li Hangartner
Tagung «berufen! ermächtigt?» vom 5. Mai 2008 im RomeroHaus Luzern