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Netz mit Zwischenräumen   

Peter Zürn zum Bibelsonntag am 18. November forum 24/2007

Im Zentrum des diesjährigen Bibelsonntags steht die Begegnung der Jünger mit dem Auferstandenen am See von Tiberias.
«Simon Petrus, Thomas, genannt Didymus (Zwilling), Natanael aus Kana in Galiläa, die Söhne des Zebedäus und zwei andere von seinen Jüngerinnen und Jüngern waren zusammen.» In Joh 21,1–14, dem Bibelsonntagstext 2007, werden sieben Personen genannt, die dem Auferstandenen begegnen. Sie repräsentieren die Nachfolgegemeinschaft Jesu in Galiläa und Jerusalem und zugleich die zukünftige Gemeinde. Fünf Personen werden identifiziert, zwei bleiben ungenannt. Letztere sind offene Anknüpfungspunkte für uns, die Leserinnen und Leser.

LEBENS- UND GLAUBENSGESCHICHTEN
Bei jeder der fünf persönlich genannten Personen ist etwas anderes wichtig: der volle Name, der Übername, die geografische Herkunft, das familiäre Umfeld. In der kurzen Aufzählung werden ganz unterschiedliche Personen sichtbar, werden Vorgeschichten erinnert, kommen Lebens- und Glaubensgeschichten ins Spiel – der ungläubige Thomas (Joh 20,24–29), der zweifelnde Natanael (Joh 1,43–51), der für Neues und Grösseres offen ist, die Söhne des Zebedäus, die so gerne Mächtige im Reich Gottes wären (Mk 10,35–45), die dafür auch vor Gewalt nicht zurückschrecken (Lk 9,51–55) und die doch immer wieder darauf verwiesen werden, was Jesus in ihnen erkennt, als er sie in die Nachfolge ruft (Mk 1,16–20), nämlich Netzeknüpfer und Menschenfischer. Diese Vielfalt schafft konkrete Anknüpfungspunkte für unsere Lebens- und Glaubensgeschichten.
Joh 21 ist ein Nachtragskapitel zum Evangelium. Es stammt wohl von einem zweiten Verfasser und rückt besonders Simon Petrus in den Mittelpunkt. Damit soll dessen Autorität auch für die johanneische Gemeinde aufgebaut werden. Aber gleichzeitig wird der Lieblingsjünger, der die johanneischen Gemeinden verkörpert, dem Simon Petrus als gleichrangig gegenübergestellt. Beide haben ihre wesentliche, unverzichtbare Funktion in der Geschichte, wie es auch zwischen den Gemeinden sein soll. Joh 21 ist getragen von einem Geist der Ökumene, der eine andere Tradition in ihrer Eigenart anerkennt, ohne die eigene Tradition aufzugeben. So bildet sich Kirche als ein Netz – mit Zwischenräumen.

BIBLIODRAMA
Die Erzählung von Joh 21,1–14 stand im Zentrum des ersten Schweizer Bibliodrama-Symposions 2006. 40 Personen haben damals drei Tage lang diesen Text gespielt. Zum Beispiel in der Rolle von Petrus, der mit Jesus unterwegs war, sein Gottfeuer gespürt hat, ihn dann am Kohlenfeuer im Vorhof des hohenpriesterlichen Palastes verleugnet hat und jetzt von ihm wieder an ein Kohlenfeuer eingeladen wird. Oder in der Rolle der Männer im Fischerboot in der langen Nacht des vergeblichen Fischens. Für den diesjährigen Bibelsonntag haben sie ihre Erfahrungen aufgeschrieben. Vielleicht werden andere Menschen daran anknüpfen und sich ermutigen lassen zu eigenen Erfahrungen mit diesem Bibeltext und zum Glaubensgespräch darüber.

PETER ZÜRN,
BIBELPASTORALE ARBEITSSTELLE

«Erde und Licht. Mit den Johannesevangelium auf den Spuren unserer Lebenswünsche» von Regula Grünenfelder und Bernd Lenfers Grünenfelder. Reihe WerkstattBibel Band 7. Fr. 21.50., Bezug: Bibelpastorale Arbeitsstelle Zürich,