Wir beraten

Macht des Wortes   

Wussten Sie schon …?

Wussten Sie schon,
dass die Nähe eines Menschen
gesund machen, krank machen,
tot und lebendig machen kann?

So beginnt der Dichterpfarrer Wilhelm Willms ein inzwischen sehr bekanntes Gedicht in seinem Buch «der geerdete himmel». Er spricht damit eine Lebens- und Glaubenserfahrung aus, die man gar nicht ernst genug nehmen kann. Wie oft schon hat ein unbedachtes Wort verletzt oder gar Freundschaften zerstört? Und andererseits: Wie oft schon durften auch wir erfahren, dass das rechte Wort zur rechten Zeit heilen, ja geradezu neue Lebenskraft schenken kann.

Worte können Wunder wirken

Ein Meister des Wortes war Jesus von Nazaret. Er hatte das Charisma auf Menschen zuzugehen und ihnen das zu sagen, was ihnen zum Leben half. Und er hat dadurch wahre Wunder gewirkt.
Nun werden manche vielleicht sagen, dass die Wunder Jesu weniger mit seinen Worten zu tun haben, als vielmehr mit dem, was er getan hat. Aber doch ist es geradezu auffällig, wie oft es die richtigen Worte Jesu sind, die heilend wirken.
«Effata!», sagt er zu dem Taubstummen, das heisst: «Öffne dich!» Und der Evangelist Markus erzählt: «Sogleich öffneten sich seine Ohren, seine Zunge wurde von ihrer Fessel befreit und er konnte richtig reden.» (Mk 7,34f)

Wussten Sie schon,
dass die Stimme eines Menschen
einen anderen Menschen wieder aufhorchen lässt,
der für alle taub war?

fragt Wilhelm Willms in seinem Gedicht und macht darauf aufmerksam, dass es nicht nur um die medizinische Taubheit geht, sondern auch um gestörte Beziehungen, die Menschen taub machen können für andere, oder verstummen lassen. Jesus hat das rechte Wort gefunden, das solchen Menschen wieder eine Stimme gegeben hat.

Oder: der blinde Bartimäus. Er schreit Jesus so lange hinterher, bis auch die Jesus umgebenden Leute nicht mehr verhindern können, dass er Gehör findet. «Was soll ich dir tun?» fragt ihn Jesus. Und: «Der Blinde antwortete: Rabbuni, ich möchte wieder sehen können.» Da sagte Jesus zu ihm: «Geh! Dein Glaube hat dir geholfen.» Markus vergisst nicht zu erwähnen: «Im gleichen Augenblick konnte er wieder sehen, und er folgte Jesus auf seinem Weg.» (Mk 10,51f)

Wussten Sie schon,
dass das Wort oder das Tun eines Menschen
wieder sehend machen kann,
einen,
der für alles blind war,
der nichts mehr sah,
der keinen Sinn mehr sah in dieser Welt
und in seinem Leben ?

Es gibt eine Blindheit, die nichts damit zu tun hat, dass wir kurz- oder weitsichtig sind. Es gibt eine Blindheit, die uns verzweifeln lässt, weil wir keinen Sinn mehr sehen. Und wo dieser sinn nicht mehr sichtbar ist, ist das Leben nicht mehr lebenswert.
Jesus hat solchen Menschen wieder einen Sinn gegeben, er hat ihnen im wahrsten Sinne des Wortes «die Augen geöffnet» dafür, dass dieses von Gott geschenkte Leben lebenswert ist: weil es Menschen wie Jesus gibt. Und weil es Menschen, die seinen Weg weitergehen – wie der (ehemals) blinde Bartimäus, der Jesus auf seinem Weg nachfolgt.

Nicht nur Worte

Bei all dem geht es allerdings sicher nicht darum, dass wir immer nur die rechten Worte finden müssten. So mächtig Worte sein können, so wichtig kann es auch oft sein zu schweigen und einfach zuzuhören. Dieses Mass zu finden zwischen Reden und Schweigen ist in jeder Beziehung unendlich wichtig. Wo nur die einen reden, ist eine Beziehung gestört, ja eigentlich tot.

Wussten Sie schon,
dass das Anhören eines Menschen Wunder wirkt,
dass das Wohlwollen Zinsen trägt,
dass ein Vorschuss an Vertrauen
hundertfach auf uns zurückkommt?

Jesus hat bestimmt nicht nur auf die Menschen eingeredet. Er hat sie «zu Wort kommen lassen» und ihre Sorgen und Nöte ernst genommen. So wie er mit ihnen umgegangen ist, konnten sie sich öffnen und von ihrem Leid erzählen. Er hat sie dazu ermuntert, entweder indem er sie direkt danach gefragt hat, wie den blinden Bartimäus. Oder indem er ihnen heilend so begegnet ist, dass sie gar nicht anders konnten, als «auszupacken»: sie «sagte ihm die ganze Wahrheit» heisst es von der Frau, die an Blutfluss gelitten hatte und von Jesus geheilt worden war (Mk 5,22).

Wilhelm Willms, der uns mit seinem Gedicht durch die ganze Geschichte des Jesus von Nazaret geführt hat, vergisst nicht zu erwähnen, dass alles Reden und Hören nichts hilft, wenn wir nichts tun:

Wussten sie schon,
dass tun mehr ist als reden?

Wussten Sie das alles schon?

Aber das haben Sie sich wahrscheinlich inzwischen selbst auch schon gedacht.

Dieter Bauer