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Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins oder: Hat Jesus gelacht?   

Können Sie sich einen lachenden Jesus vorstellen? So richtig gelöst und lauthals lachend? Sie finden dies eine seltsame Frage?
Das ist sie ganz und gar nicht! Jahrhunderte lang wäre das unvorstellbar gewesen. Und im Mittelalter gab es meterweise Literatur zu diesem Thema und darüber, warum Jesus, der Gottessohn, nicht gelacht haben kann.
Wir haben es da heute etwas einfacher. Wir lesen die Evangelien unbefangener. Und wir nehmen auch ernster, dass Jesus wirklich Mensch war. Und was wäre das für ein Mensch gewesen, wenn er niemals gelacht hätte?

Ein schlagfertiger und gewitzter Gesprächspartner
Nein, er war kein Kind von Traurigkeit, dieser Jesus. Immer wieder verblüffte er seine Mitmenschen durch seine Schlagfertigkeit. Zum Beispiel, als man ihm vorwarf, dass er nicht wirklich fromm sei und faste wie alle anderen auch. «Können denn die Hochzeitsgäste fasten, solange der Bräutigam bei ihnen ist?» fragt er zurück und beantwortet die Frage auch gleich selbst: «So lange der Bräutigam bei ihnen ist, können sie nicht fasten.» Und: Jesus hat gerne gefeiert! Für Jesus ist das Leben ein Fest, sein Fest. Er ist der Bräutigam. Da ergibt das Fasten keinen Sinn. Und Jesus lässt wirklich alle an diesem Fest teilhaben: die Reichen und Armen, die Frommen und die Sünder.
Natürlich hat das nicht allen gefallen, vor allem nicht den Reichen und Frommen. «Er isst mit Zöllnern und Sündern», werfen sie ihm vor, und, als er sich von einer stadtbekannten Sünderin einparfümieren lässt: «er müsste wissen, was das für eine Frau ist, von der er sich berühren lässt.» (Lk 7,39) «Was wollt ihr?» fragt er zurück. «Johannes der Täufer ist gekommen, er isst kein Brot und trinkt keinen Wein und ihr sagt: Er ist von einem Dämon besessen. Der Menschensohn ist gekommen, er isst und trinkt; darauf sagt ihr: Dieser Fresser und Säufer, dieser Freund der Zöllner und Sünder!» (Lk 7,33f)

Das Fest im Reich Gottes
Wie kommt Jesus dazu, das Leben als ein grosses Fest zu betrachten, ein Fest, zu dem wirklich alle eingeladen sind? Ein Fest, an dem der Wein in Strömen fliesst, und wenn er ausgehen sollte, gibt es eben neuen (Joh 2,1-12)?
Jesus hat es von Anfang an gesagt: «Das Reich Gottes ist da!» «Ihr müsst umdenken!» (Mk 1,15) Das Fest hat bereits begonnen! Gott lädt alle ein!
Sicher ist diese Betrachtungsweise des Reiches Gottes für viele ungewohnt. Aber sie begegnet beim Lesen der Evangelien auf Schritt und Tritt: Wenn Jesus die gesellschaftlichen Konventionen übertritt, weil sie im Reich Gottes nicht mehr gelten, ja diesem geradezu zuwider laufen. Wenn er gerade die Sünderinnen und Sünder zum Fest lädt mit der schlagfertigen Begründung: «Nicht die Gesunden brauchen den Arzt, sondern die Kranken!» (Mk 2,17). Was soll man darauf sagen?

Keine unnötige Sorge!
Woher aber nimmt Jesus diese Leichtigkeit im Umgang mit den Menschen? Woher nimmt er diese Zuversicht, dass es schon gut wird? Wie kann er so vorbehaltlos gerade auf die Menschen zugehen, um die alle anderen einen Bogen machen?
Seine Begründung klingt einfach: «Sorgt euch nicht um euer Leben und darum, dass ihr etwas zu essen habt, noch um euren Leib und darum, dass ihr etwas anzuziehen habt. Ist nicht das Leben wichtiger als die Nahrung und der Leib wichtiger als die Kleidung? Seht euch die Vögel des Himmels an: Sie säen nicht, sie ernten nicht und sammeln keine Vorräte in Scheunen; euer himmlischer Vater ernährt sie. Seid ihr nicht viel mehr wert als sie? Wer von euch kann mit all seiner Sorge sein Leben auch nur um eine kleine Zeitspanne verlängern? Und was sorgt ihr euch um eure Kleidung? Lernt von den Lilien, die auf dem Feld wachsen: Sie arbeiten nicht und spinnen nicht. Doch ich sage euch: Selbst Salomo war in all seiner Pracht nicht gekleidet wie eine von ihnen. Wenn aber Gott schon das Gras so prächtig kleidet, das heute auf dem Feld steht und morgen ins Feuer geworfen wird, wie viel mehr dann euch, ihr Kleingläubigen! Macht euch also keine Sorgen und fragt nicht: Was sollen wir essen? Was sollen wir trinken? Was sollen wir anziehen? Denn um all das geht es den Heiden. Euer himmlischer Vater weiss, dass ihr das alles braucht.» (Mt 6,25-32)
Wer dieses Vertrauen in den himmlischen Vater hat wie Jesus, kann sich ganz darauf konzentrieren, dass das Reich Gottes für alle erfahrbar wird: «Euch aber muss es zuerst um sein Reich und um seine Gerechtigkeit gehen, dann wird euch alles andere dazugegeben.» (Mt 6,33)

Für viele unerträglich
Ich habe es bereits gesagt: Dieser – so unkonventionelle – Einsatz Jesu für das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit in dieser Welt hat nicht allen gefallen. Sie haben diese «Leichtigkeit des Seins» missbilligt. Wie sie auch missbilligt haben, dass er den «Mühseligen und Beladenen» ihr Joch von der Schulter nahm. Mit einem Augenzwinkern hat Jesus das so kommentiert: «Mein Joch drückt nicht und meine Last ist leicht.» (Mt 11,30)
Jesus musste erfahren, dass er mit seiner Art zu leben abgelehnt wurde, dass sich die Reichen und Frommen wieder einmal durchgesetzt haben. Zuerst wurde er schlecht gemacht – «ein Fresser und Säufer», «mit dem Teufel im Bund», «ein Freund der Zöllner und Sünder» –, dann wurde er verhaftet, unter falsche Anklage gestellt und zum Tode verurteilt.
Seine Gegner meinten, das «Problem» dadurch gelöst zu haben, dass sie Jesus verschwinden liessen. Doch da hatten sie ihre Rechnung ohne seinen himmlischen Vater gemacht. Der liess Jesus nämlich auferstehen. Das Fest geht weiter. Überall da, wo das Reich Gottes erfahrbar wird. Wo wir uns anstecken lassen von Jesus und seiner «Leichtigkeit des Seins».

Dieter Bauer