Wir beraten

Ein Fest feiern   

Katharina Schmocker Steiner zum Evangelium am 28. Sonntag im Jahreskreis (9.10.): Mt 22,1–14, SKZ 39-40/2011

Dank Facebook kann es offenbar passieren, dass aus einer geplanten Feier mit ein paar Freunden und Freundinnen eine Riesenparty wird mit Gästen, die man überhaupt nicht kennt. Das Himmelreich ist anscheinend damit zu vergleichen, mit zwei Unterschieden: Das Fest ist, als Hochzeitsmahl für den Königssohn, vermutlich von vornherein gross angelegt, nur kommen die eigentlich geladenen Gäste nicht, und daher ist die Einladung fremder Gäste die Notlösung (nicht der Ursprung der Not).

«... was in den Schriften steht»

Die Randglossen zur Lesung verweisen auf zwei Gastmähler im Alten Testament, und der erste Hinweis lässt sich problemlos als Allegorie zu diesem Himmelreich-Gleichnis lesen: «Die Weisheit hat ihr Haus gebaut, ihre sieben Säulen behauen. Sie hat ihr Vieh geschlachtet, ihren Wein gemischt und schon ihren Tisch gedeckt. Sie hat ihre Mägde ausgesandt und lädt ein auf der Höhe der Stadtburg: Wer unerfahren ist, kehre hier ein! Zum Unwissenden spricht sie: Kommt, esst von meinem Mahl und trinkt vom Wein, den ich mischte! Lasst ab von der Torheit, so werdet ihr leben, und geht auf dem Weg der Einsicht!» (Spr 9,1–6).

Anders ist es mit dem zweiten Vergleichstext, der eher verstehen lässt, dass die geladenen Gäste nicht kommen wollen (wenn sie denn die Geschichte im Hinterkopf haben), als dass wir das Himmelreich so haben möchten: «Er (Jehu) liess eine Festversammlung zur Ehre Baals vorbereiten und einberufen. Dazu sandte er Boten durch ganz Israel. Alle Baalsdiener kamen; es gab keinen, der fernblieb. Sie betraten den Baalstempel, der sich von einem Ende zum anderen füllte. Nun befahl Jehu dem Verwalter der Kleiderkammer, jedem Baalsdiener ein Kleid zu reichen. Nachdem dieser die Gewänder überreicht hatte, betrat Jehu mit Jonadab, dem Sohn Rechabs, den Baalstempel und forderte die Baalsdiener auf: Vergewissert euch, dass nur Baalsdiener hier sind und dass kein Diener Jahwes sich unter euch befindet. Darauf begannen sie, Schlacht- und Brandopfer darzubringen. Jehu hatte aber draussen achtzig Mann aufgestellt und ihnen gesagt: Wer einen von den Männern, die ich in eure Hand gebe, entkommen lässt, wird mit seinem Leben dafür büssen. Nach Beendigung des Brandopfers befahl er den Läufern und ihren Hauptleuten: Kommt her und macht sie nieder! Keiner darf entrinnen. Die Läufer und ihre Hauptleute erschlugen sie mit scharfem Schwert und warfen die Leichen hinaus. Dann machten sie sich über den Tempel des Baal her, schafften das Steinmal des Baalstempels weg und verbrannten es» (2 Kön 10,20–26).

Bei allem spontanen Widerstreben lässt sich nicht leugnen, dass mehr Bezugspunkte zwischen dem Gleichnisgastmahl und dem Fest des Jehu bestehen als zum Gastmahl der Weisheit, dessen Beschreibung sich auf die spontane Einladung beliebiger Gäste beschränkt. Dass die Gäste Jehus alle kommen, liegt allerdings nicht daran, dass sie zuverlässiger sind als die Gäste des Königs bei Matthäus. Vielmehr droht ihnen: «Wer nicht erscheint, soll sein Leben verlieren» (2 Kön 10,19). Auch bei Mt verlieren einige der nicht erschienenen Gäste das Leben, allerdings als Strafe dafür, dass sie die Boten getötet haben.

Die Gewänder dienen bei beiden Festen als Kriterium der Ausscheidung, wobei in 2 Kön diese zum Überleben verhelfen («Nun befahl Jehu dem Verwalter der Kleiderkammer, jedem Baalsdiener ein Kleid zu reichen […] und forderte die Baalsdiener auf: Vergewissert euch, dass nur Baalsdiener hier sind und dass kein Diener Jahwes sich unter euch befindet»), während in Mt derjenige ohne passendes Gewand in die Finsternis geworfen wird. Vielleicht liess auch der König entsprechende Gewänder austeilen, und so zeigt sich, dass dieser sich ohne Einladung eingeschlichen hat.

Für die Gäste des Jehu endet das Fest tödlich, während bei Mt anscheinend das Hochzeitsfest selbst für das Himmelreich steht und das Ende offengelassen wird bzw. gar kein Ende vorgesehen ist.

Mit Matthäus im Gespräch

Auch ohne den verstörenden Vergleich mit dem Mahl in 2 Kön bietet das Gleichnis einige Ungereimtheiten. Zum einen ist es zwar ein Hochzeitsfest, ausgerichtet für den Sohn des Königs, doch dieser und die Braut scheinen dabei ohne Bedeutung zu sein.

Der König hat schon die erste Einladung offenbar nicht an Adlige gerichtet, sondern an solche, die auf ihren Acker oder in ihren Laden gingen, also eher Mittelständische. Kaum zu glauben, dass sie die tägliche Arbeit einem königlichen Festmahl vorziehen, ja sich sogar durch die mehrmalige Einladung so gereizt fühlen, dass sie die Boten misshandeln und töten.

Obwohl das Mahl schon bereit steht, vertagt der König die Strafaktion nicht auf nach dem Fest, sondern reagiert unmittelbar und offensichtlich übermässig, indem er sein ganzes Heer ausschickt, um die paar Mörder umzubringen und «ihre Stadt in Schutt und Asche zu legen».

Ganz und gar irritierend ist der ausdrückliche Hinweis, dass die Knechte Böse und Gute von der Strasse zusammenholten und der König bei seiner «Besichtigung» der Gäste nicht etwa die Bösen wieder wegschickt, sondern den nicht passend Angezogenen. Dabei spricht er ihn als Freund, Kameraden, Genossen (hetairos) an und lässt ihm die Gelegenheit, sich zu erklären. Warum schweigt er? Und warum schickt der König ihn nicht einfach wieder weg, sondern lässt ihn fesseln und hinauswerfen, während er bei den ursprünglich Geladenen immerhin so viel Geduld zeigte, dass er sie nach der ersten Einladung noch zweimal an das Fest erinnerte?

Schliesslich scheint der abschliessende Satz völlig paradox: «Denn viele sind gerufen, wenige aber auserwählt.» In der Logik der Erzählung wäre damit derjenige, der in die Finsternis zu denen, die heulen und mit den Zähnen knirschen, geworfen wird unter den vielen, in zwei Etappen zur Feier Eingeladenen, der einzige Auserwählte. Kann man also wie beim Fest des Jehu froh sein, wenn man nicht zu den Gästen des Hochzeitsmahls gehört? Ist es so mit dem Himmelreich? Eigentlich wäre der Vergleich mit einem rauschenden Fest durchaus einleuchtend und einladend und auch nicht besonders überraschend. Aber so?

Lesen wir noch einmal genauer. «Jesus erzählte (…) das Himmelreich ist mit einem König zu vergleichen (…).» Es geht hier also gar nicht um das Fest und auch nicht um die Gäste. Jesus erzählt keine Geschichte für uns, wie es sein wird, wenn wir uns richtig verhalten. Jesus erzählt von Gott, wie er sich schon immer um die Menschen bemüht hat und immer wieder enttäuscht und sogar gereizt wird. Wie er auf seine Einladungen und seine Frage: «Freund, wie konntest du hereinkommen, ohne ein Festgewand zu tragen?», die doch Gelegenheit zu einer Erklärung gäbe, keine Antwort erhält («sie aber kümmerten sich nicht darum»; «er aber schwieg») oder gar eine zurückweisende, unmissverständliche Absage («andere fielen über seine Knechte her, misshandelten und töteten sie»). Das Himmelreich wird nicht sein wie ein Fest, sondern ist die unermüdlich wiederholte Zuwendung Gottes, seine Einladung an uns, seine Gäste zu sein. Für die Einladung gibt es keine Vorbedingung, müssen wir weder standesgemäss noch gut sein. Hingegen ist es ratsam, sich auf den «Anlass» einzustimmen und einzustellen, wenn der Einladung Folge geleistet wird.