Wir beraten

Sorgt euch nicht um euer Leben   

Katharina Schmocker Steiner zum Evangelium am 8. Sonntag im Jahreskreis: Mt 6,24–34, SKZ 6-7/2011

Yes or No, Levi’s, Nike, Puma, Bronx, Galliano, Lee, Yumi, Calvin Klein, Kitaro, … – was soll man anziehen? Fast food, Convenient food, Grilladen, Light-Produkte, gefüllte Kalbsbrust, Rösti, Fondue, Früchte und Gemüse, … – was soll man essen? Unbestreitbar, wir müssen essen und trinken und – zumindest in unserer Klimazone – wir müssen uns bekleiden. Die Gegenüberstellung, das Leben sei wichtiger als die Nahrung und der Körper wichtiger als die Kleidung, lässt sich nicht bis ins Letzte aufrechterhalten, denn: ohne Nahrung kein Leben und ohne Kleidung früher oder später ein erfrorener Körper. Das weiss auch Jesus und, wie dieser festhält (V  32), das weiss auch Gott. Es kann also nicht darum gehen, dass wir uns nicht sorgen sollen, dass wir etwas zu essen und dass wir etwas anzuziehen haben, wie die Einheitsübersetzung fordert, sondern, wie es im griechischen Text lautet, wir sollen nicht unsere ganze Aufmerksamkeit darauf richten, nicht grübeln, was wir essen und was wir anziehen könnten.

«…  was in den Schriften steht»

In der Gegenüberstellung von Gott und Mammon verwendet der Evangelist mit Letzterem einen aramäischen Begriff, der im neuen Testament nur hier und in der Parallelstelle bei Lukas vorkommt. Er umfasst nicht nur Geld, sondern ganz allgemein Besitz, Reichtum, der im Übrigen nicht unbedingt auf ehrlichem Weg erworben wurde. Eigentlich überraschenderweise wird Salomo zum Vergleich beigezogen, zwar nicht im direkten Bezug zum Mammon, aber zur kritisierten Sorge um die Kleidung, zu deren Veranschaulichung mit der Lilie wiederum ein Wort steht, dass im Neuen Testament nur hier und in der Parallelstelle bei Lukas Verwendung findet. Salomo als Beispiel zu wählen überrascht daher, da sein Ansehen nicht nur durch seine Pracht, sondern auch durch seine Weisheit begründet war: «Als nun die Königin von Saba die tiefe Weisheit Salomos erkannte, als sie den Palast sah, den er gebaut hatte, die Speisen auf seiner Tafel, die Sitzplätze seiner Beamten, das Aufwarten der Diener und ihre Gewänder, seine Getränke und sein Opfer, das er im Haus des Herrn darbrachte, da stockte ihr der Atem. Sie sagte zum König: Was ich in meinem Land über dich und deine Weisheit gehört habe, ist wirklich wahr» (1 Kön 10,4–6). Doch nur ein Kapitel später heisst es: «Der Herr aber wurde zornig über Salomo, weil sich sein Herz von ihm, dem Gott Israels, abgewandt hatte, der ihm zweimal erschienen war …» (1 Kön 11,9), und nur um dessen Vater David Willen hält er seinen Zorn in Schranken (1 Kön 11,11–13).

Nicht Salomo in seiner Macht, Pracht und Weisheit, sondern die Vögel und die Lilien, die im Folgenden schlicht zum Gras des Ackers subsumiert werden, sollen als Vorbilder für die rechte Lebenshaltung dienen. Auch die Vögel essen, doch sie picken jeden Tag zusammen, was sie durch Gottes Fürsorge erhalten, ohne sich aus Angst vor der Zukunft Vorrat anzulegen, wie auch die Israeliten in der Wüste gehalten waren: «Mose sagte zu ihnen: Davon darf bis zum Morgen niemand etwas übrig lassen. Doch sie hörten nicht auf Mose, sondern einige liessen etwas bis zum Morgen übrig. Da wurde es wurmig und stank …» (Ex 16,19 f.) Damit ist sowohl eine Ermahnung zum Vertrauen auf Gott wie auch der Hinweis auf die Nutzlosigkeit der ängstlichen Sorge verbunden. Letzterer wird in Vers 27 ausformuliert: «Wer aber von euch kann, sorgend, hinzulegen zu seinem Alter eine einzige Elle?» Die Aufmerksamkeit noch stärker in diese Richtung lenkt der Verweis auf die Blumen, die, von Gott sozusagen schön gekleidet, schöner noch als Salomo, doch schon bald vergehen und ins Feuer geworfen werden. «Denn er [der Herr] weiss, was wir für Gebilde sind; er denkt daran: Wir sind nur Staub. Des Menschen Tage sind wie Gras, er blüht wie die Blume des Feldes. Fährt der Wind darüber, ist sie dahin, der Ort, wo sie stand, weiss von ihr nichts mehr» (Ps 103,14–16). Doch trotz dieser Parallelität und dem Wissen Gottes darum, «dass ihr alles dessen bedürft» (V 32), hält Jesus fest, dass sich die Gläubigen um vieles von den Vögeln unterscheiden (V 26), und wandelt die Zusage des Psalmisten: «Doch die Huld des Herrn währt immer und ewig für alle, die ihn fürchten und ehren» (Ps 103,17) in die mit ebendieser Zusage verbundenen Aufforderung ab: «Sucht aber zuerst das Königtum [Gottes] und seine Gerechtigkeit, und dieses alles wird euch hinzugelegt werden» (V  33).

Mit Matthäus im Gespräch

Das sechste Kapitel des Evangeliums nach Matthäus ist geprägt von der Ermahnung, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und sich nicht in Äusserlichkeiten zu verlieren oder gar den Wert der Taten zu veräussern. Eingeleitet wird das Kapitel mit der Ermahnung: «Achtet darauf, eure Gerechtigkeit nicht zu tun vor den Menschen, um gesehen zu werden bei ihnen» (V  1), die im Folgenden entfaltet wird: «Wann du also tust Barmherzigkeit, trompete nicht vor dir her wie die Heuchler tun in den Synagogen und in den Gassen, auf dass sie verherrlicht werden von den Menschen» (V  2); «Und wann ihr betet, seid nicht wie die Heuchler; denn sie lieben es, in den Synagogen und in den Ecken der Strassen stehend zu beten, auf dass sie leuchten vor den Menschen» (V  5); «Wann ihr aber fastet, werdet nicht wie die mürrischen Heuchler; denn unansehnlich machen sie ihre Gesichter, auf dass sie erscheinen den Menschen als Fastende» (V  16). Die Verse 19–21 können als Zusammenfassung gleichzeitig wörtlich wie auch im übertragenen Sinn verstanden werden: «Sammelt euch nicht Schätze auf der Erde, … sammelt euch aber Schätze im Himmel, … denn wo dein Schatz ist, dort wird sein auch dein Herz.»

Daran knüpft unsere Textstelle an mit der Überleitung: «Keiner kann zwei Herren dienen …» (V  24). Diese allgemeine Feststellung wird präzisiert in der direkten Ermahnung: «Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon.» Dass dieser Befund die Einleitung zu den folgenden Erläuterungen bildet, verdeutlicht das «deshalb» (dia touto) zu Beginn von Vers 25 und die Wiederaufnahme des Gedankens im abschliessenden Vers 33: «Sucht zuerst das Königtum [Gottes] und seine Gerechtigkeit, und dieses alles wird euch hinzugelegt werden.» «Dieses alles» steht also nicht der Gerechtigkeit Gottes im Wege, denn «euer himmlische Vater weiss, dass ihr alles dessen bedürft» (V  32), doch es darf nicht zu einem zweiten Herrn werden, dem wir dienen, statt uns dessen zu bedienen. Jesus selbst kann entsprechende Erfahrung aufweisen: «Als er vierzig Tage und vierzig Nächte gefastet hatte, bekam er Hunger. Da trat der Versucher an ihn heran und sagte: Wenn du Gottes Sohn bist, so befiehl, dass aus diesen Steinen Brot wird. Er aber antwortete: Es steht geschrieben: Nicht nur vom Brot lebt der Mensch, sondern von jedem Wort, das aus Gottes Mund kommt …» (Mt 4,2–11). Ähnlich schilt er seine Gefährten, als diese sich sorgen, da sie kein Brot mitgenommen hatten: «Ihr Kleingläubigen, was macht ihr euch darüber Gedanken, dass ihr kein Brot habt? Begreift ihr immer noch nicht? Erinnert ihr euch nicht an die fünf Brote für die Fünftausend … Warum begreift ihr nicht, dass ich nicht von Brot gesprochen habe, als ich zu euch sagte: Hütet euch vor dem Sauerteig der Pharisäer und Sadduzäer?» (Mt 16,8–11).

«Kleingläubige» verwendet im Neuen Testament nur Matthäus (mit Ausnahme der zu unserem Textabschnitt parallelen Stelle bei Lk 12,28) und meint damit offenbar neben dem fehlenden Vertrauen auf Gott auch das Vertrauen auf die eigene, durch jenes gegebene Wirkmacht: «Wenn euer Glaube auch nur so gross wie ein Senfkorn wäre … nichts wäre euch unmöglich» (Mt 17,20; vgl. auch Mt 8,26; 14,31). – Eine bleibende Herausforderung.