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Was kostet die Nachfolge?   

Winfried Bader zum Evangelium am 23. Sonntag im Jahreskreis: Lk 14,25–33, SKZ 33-34/2010

Bei vielen Dingen wie bei Ferienreise oder beim Fitness-Center ist es für uns ganz klar, dass sie Geld kosten. Beim Musizieren und beim Sport wissen wir, es kostet Mühe und Fleiss. Freundschaften brauchen Zeit – auch das ist klar. Aber was kostet ein eigener religiöser Standpunkt? Die Menschenmenge, die Jesus begleitete, ihm im wörtlichen Sinn nachfolgte, war schaulustig auf Wunder und Spektakel. Da werden sie angesprochen, merken, jetzt sind sie selbst gemeint: Will ich hinterherlaufen oder nachfolgen? Will ich in Jesus investieren?

«… was in den Schriften geschrieben steht»

Lukas gliedert die Antwort Jesu zu dieser Herausforderung in fünf Abschnitte. Zentrum ist der zweite: «Wer nicht sein Kreuz trägt und mir nachfolgt, kann nicht mein Jünger sein» (Lk 14,27). Schon Samuel hatte das Volk zur Nachfolge Gottes ermahnt und dafür einen vollen Einsatz gefordert: «Weicht nicht mehr von der Nachfolge YHWHs ab und dient YHWH mit ganzem Herzen» (1 Sam 12,20). Am Ende des Wüstenzugs war Kaleb der Einzige, der «YHWH ganz und gar nachgefolgt» (Dtn 1,36) ist; daher wurde er mit dem Einzug ins gelobte Land belohnt. Nachfolge ist dort zuerst die Bevorzugung YHWHs als Gott vor anderen Göttern und dann erst ein ethischer Anspruch, der freudig befolgt wird, wie beim Mann im Psalm, der «Freude hat an der Weisung YHWHs» (Ps 1,2). Jesus führt beim Ruf in die Nachfolge und der Beschreibung, was dies heisst, neu das Bild des Kreuzes ein. Sein Beispiel war, den Weg ans Kreuz zu gehen. Die Wirkungsgeschichte dieses Bildes ist fatal: Christsein wird verstanden als Leiden, nicht als freudiger Weg; die griesgrämig, unerlöst dreinschauenden Christen (Friedrich Nietzsche) finden hier ihre Berechtigung. Was meint Jesus mit dem Bild des Kreuzes in der Nachfolge-Rede?
Nachfolge ist eine Lebensentscheidung, das zeigt der erste Redeabschnitt: «Wenn jemand zu mir kommt und nicht hasst seinen Vater und seine Mutter und seine Frau und seine Kinder und seine Brüder und seine Schwestern, ja sogar sein eigenes Leben, der kann nicht mein Jünger sein» (Lk 14,26). Es ist eine sehr radikale Forderung, die sich zunächst an die richtet, die da Jesus seit einigen Tagen gaffend hinterherlaufen. Nachfolge ist eben nicht nur zufälliges Hinterherlaufen und unverbindliches Zuschauen, sondern eine Lebensentscheidung, wie man sie seit der Paradieserzählung kennt, als der Mensch voll Freude über die Frau ausrief: «Endlich! Sie ist es! Eine wie ich! Sie gehört zu mir, denn von mir ist sie genommen. Deshalb verlässt ein Mann Vater und Mutter, um mit seiner Frau zu leben. Die zwei sind dann eins, mit Leib und Seele» (Gen 2,23–24). Die Entscheidung für Jesus ist demgegenüber nochmals mehr, auch Frau und eigenes Leben sind zu hassen. Diese Lebensentscheidung in die Nachfolge geschieht aber – das zeigt die Parallele – aus Freude und mit Liebe. Das Bild des Kreuzes wird so zum Zeichen der unumkehrlichen ganzen Entscheidung – nicht zum Bild der Last.
Wie gehen nun mit dieser radikalen Forderung die (zauderlichen) Überlegungen des Doppelgleichnisses1 der beiden folgenden Abschnitte zusammen?
Jesus nimmt in den beiden Wer-unter-euch-Gleichnissen vom Turmbau (Lk 14,28–30) und vom Kriegführen (Lk 14,31–32) zwei praktische Beispiele, aus der alltäglichen Lebenswelt des einfachen Bürgers und der führenden Schicht. Mit den gleichen Bildern wie in den Sprichwörtern bringt er das Thema Weisheit und Überlegung ins Spiel: «Weisheit und Verstand sind ein sicheres Fundament, auf dem du dein Haus errichten kannst, und Wissen füllt seine Räume mit wertvollen und schönen Dingen. Nur ein Kluger ist wirklich stark; durch Wissen vervielfacht er seine Kraft. Wenn du einen Krieg gewinnen willst, musst du sorgfältig planen; je mehr gute Ratgeber du hast, desto sicherer ist der Sieg» (Spr 24,3–6). Jesus zeigt an den beiden Beispielen explizit, was eigentlich für eine Lebensentscheidung, wie es die Nachfolge ist, selbstverständlich sein sollte. Man beginnt die Nachfolge nicht blauäugig und unbedarft, sondern wägt das Risiko genau ab, informiert sich und bezieht die eigenen Fähigkeiten bei der Kalkulation der Kosten mit ein. Der Turmbau, zu denken ist wahrscheinlich an einen Wachturm in einem Weinberg (vgl. Jes 5,1–2: «Mein Freund hatte einen Weinberg … Er baute mitten darin einen Turm.»), ist ein alltägliches Beispiel, denn viele, auch ärmere Menschen wagen ein solches Unternehmen und müssen dann scharf rechnen. Das Risiko, das sie dabei eingehen, ist neben dem finanziellen Ruin der Spott der anderen. Viel grösser ist das Risiko beim nächsten Gleichnis. Es droht der Untergang der Armee und die Unterwerfung des Landes. Insofern betrifft das Beispiel auch alle Menschen, auch wenn die Verantwortung hier beim König (Heerführer) liegt; er wird diesen Feldzug sorgfältig planen, so wie es die Erzählung in 1 Kön 22 zeigt: «Der König von Israel fragte Joschafat (den König von Juda). Willst du mit mir in den Krieg ziehen? … Joschafat bat aber den König von Israel: Befrage doch zuvor YHWH» (1 Kön 22,4–5).
Will nun Jesus, nachdem er zunächst radikal zur Nachfolge auffordert, mit diesen Gleichnissen die Menschen wieder davon abbringen, die Radikalität durch ein Hin- und Herabwägen aufweichen? Beide Gleichnisse sind im Stil «Wer-unter-euch» geschreiben. Die Antwort ist in diesem Fall eindeutig. Ja klar, jeder handelt so wie der Bauherr und der König. Aber die enthaltene Warnung ist gleichzeitig eine Aufforderung, die damit verbundene weitreichende Entscheidung einzugehen. Epiktet, der stoische Philosoph in Rom und Zeitgenosse von Lukas, formuliert: «Bei allem, was du tust, bedenke die Voraussetzungen und Folgen und geh erst dann ans Werk. Andernfalls wirst du anfangs voll Begeisterung an die Sache herangehen, da du ja keiner möglichen Entwicklungen bedacht hast, später aber, wenn irgendwelche Schwierigkeiten auftauchen, schmählich aufgeben» (Epiktet, dissertationes III 15,1). Jesus Sirach drückt es so aus: «Aber bevor du Gott etwas versprichst, überdenk es genau!» (Sir 18,23). «Versuche keine Last zu tragen, die zu schwer für dich ist» (Sir 13,2).
Wenn man dann diese Entscheidung wagt, gibt der fünfte Abschnitt des Textes noch die letzte Forderung und füllt das Bild des Kreuzes nochmals anders: «So also kann jeder von euch, der nicht auf seinen ganzen Besitz verzichtet, nicht mein Jünger sein» (Lk 14,33).

Mit Lukas im Gespräch

Was kostet die Nachfolge? «Am Anfang, als Gott den Menschen schuf, hat er ihm die Freiheit zur eigenen Entscheidung gegeben. Wenn du willst, kannst du seine Gebote befolgen. Von deiner Entscheidung hängt es ab, ob du ihm die Treue hältst. Er hat Feuer und Wasser vor dich gelegt; du selbst hast die Wahl, welches von beiden du nehmen willst. Du kannst wählen zwischen Leben und Tod und bekommst, was du wählst» (Sir 15,14–17).
Nachfolge kostet also eine freie und reiflich überlegte Entscheidung fürs Leben!


1 Vgl. ausführlich zur Auslegung des Doppelgleichnisses: Gerhard Sellin: Die Kosten der Nachfolge (Das Doppelgleichnis vom Turmbau und vom Krieg), in: Ruben Zimmermann (Hrsg.): Kompendium der Gleichnisse Jesu. Gütersloh 2007, 604–609.