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Vollendung als Anfang   

Gunda Brüske zur Präfation des Pfingstfestes SKZ 21/2009

Die für Pfingsten vorgesehene Präfation gehört zu den neu ins Messbuch aufgenommenen. Die frühere blieb erhalten als Präfation vom Heiligen Geist I für Votivmessen. Sie ist knapper als die heutige Festpräfation. Diese ist eine Neuschöpfung auf der Basis vor allem von zwei Texten aus dem Gelasianum Vetus (Mitte 7. Jhdt. unter Verwendung älterer Quellen für eine römische Titelkirche). Entstanden ist ein Stück verdichteter Festtheologie.

Osterfreude

Beginnen wir einmal von hinten, nämlich von der doxologischen Überleitung der Präfation zum Sanctus. Diese Überleitung bleibt bei allen Präfationen in der ganzen Osterzeit gleich, unterscheidet sich aber von der anderer Präfationen: «Darum preisen dich alle Völker auf dem Erdenrund in österlicher Freude (paschalibus gaudiis) …». Die Osterzeit wird auch mit diesem Detail als eine Einheit markiert. Doch was genau ist die «österliche Freude»? Im Kapitel über die Fastenzeit heisst es in der Benediktsregel (RB 49,7): Mit geistlicher Freude erwarte er (der Mönch) das heilige Osterfest (sanctum pascha). In ihrem Kommentar zur Ordensregel weist Michaela Puzicha OSB darauf hin, dass sanctum pascha nicht nur den jährlichen Ostertermin meint, sondern im biblischen und patristischen Verständnis personal zu verstehen ist: «Pascha ist der nach Leiden und Tod auferstandene Christus.» Die Osterfreude darf ganz in dieser personalen Perspektive verstanden werden: als Freude über den beim Vater verherrlichten Christus. Den patristischen Hintergrund bezeugt zum Beispiel Athanasius von Alexandrien (gest. 373) in geradezu emphatischem Ton: «Gleichwie er (Christus) alles zugleich für uns ist, so zeigt Er sich wiederum für uns als Fest und Festlichkeit, … Er ist ja in Wahrheit der Jubel, Er die wahre Festlichkeit, die Befreiung vom Bösen … Ihn sollen wir als unsere Festlichkeit ansehen … Ihn feiern wir als Fest.» Die Überleitung zum Sanctus ist immer hymnisch gestimmt, in der Osterzeit aber gesteigert zum Christus-Jubel, was die relativ nüchterne deutsche Übersetzung vielleicht nicht ganz hören lässt.

Sacramentum paschale

Auf den ersten Satz der Präfation folgt bekanntlich die Nennung von Dankmotiven. Die deutsche Übersetzung lautet: «Denn heute hast du das österliche Heilswerk vollendet», lateinisch mit der alten Formulierung aus dem Gelasianum Vetus: sacramentum paschale consummans. Andere Sprachen tun sich leichter mit der Übersetzung der Wendung sacramentum paschale: the paschal mystery / le mystère de la Pâque / il mistero pasquale. Diese Sprachen greifen zurück auf das griechische Äquivalent mysterion und sind damit näher am patristischen Ursprung der Wendung. Sacramentum/mysterion ist ein Geschehen, in das die Mitfeiernden hic et nunc real hinein geholt werden. Das betrifft nicht nur die späteren sieben Sakramente, sondern weitere Feiern und auch Festzeiten. Paschale sacramentum war Bezeichnung für die Pentekoste, die fünfzigtägige Osterzeit, mithin eine soteriologisch ungeheuer starke Zeit, in der die Gläubigen in den österlichen Überstieg Jesu zum Vater in der nahezu endzeitlichen Verdichtung hineingenommen sind: 7 mal 7 Tage plus einen weiteren Tag lang. Diese sakramentale Zeitspanne vollendet sich nicht nur einmal, sondern immer wieder an Pfingsten. Sie nimmt Ostern und Pfingsten zusammen – so wie es bereits das Johannesevangelium tut: am Ostertag selbst, am Abend des ersten Tags der Woche, zeigt sich der Auferstandene und spricht zu den Jüngern: «Empfangt den Heiligen Geist!» (Joh 20,19–23, Evangelium für Pfingstsonntag). Die Präfation, dieses Evangelium und die Abschaffung der Pfingstoktav bringen die johanneische und altkirchliche Einheit von Ostern und Pfingsten so zur Geltung, wie es seit Jahrhunderten immerhin noch die Magnifikat-Antiphon der 2. Vesper von Pfingsten getan hatte: «Hodie completi sunt dies pentecostes – heute sind die fünfzig Tage erfüllt.» Vielleicht war das Hodie der Magnifikat-Antiphon auch leitend für die deutschen Übersetzer, denn sie fügen hier ein zweites «heute» ein, wo im Lateinischen nur eines steht.

Heute!

Das zweite «heute» der deutschen Präfation folgt wiederum einem Text aus dem Gelasianum Vetus. Dort wird es jedoch etwas anders verwendet: «denn heute feiern wir die Ankunft des Heiligen Geistes» (GeV). Heute feiern wir: Solche Sätze stehen gerne am Anfang von Predigten und zwar schon in der patristischen Zeit. Auch Geburtstags- oder Jubiläumsreden werden so eröffnet. Sie verknüpfen das «heute» der Versammlung mit dem Anlass, der irgendwo in der Vergangenheit einsetzt, aber andauert bis heute und deshalb begangen wird, also Grund zur Freude ist. Für Vorgänge, die früher begannen und in der Gegenwart noch immer nicht abgeschlossen sind, stehen die Verben meist im Perfekt. Die Sprache gibt uns damit einen deutlichen Fingerzeig. Im Mittelteil der Präfation, bei der Nennung der Dankmotive steht in der Regel Perfekt – so auch in der deutschen Präfation: «heute hast du den Heiligen Geist gesandt» (bzw. geschenkt). Die in den johanneischen Abschiedsreden verheissene Sendung des Geistes (vgl. das zweite für den Pfingstsonntag zur Auswahl gestellte Evangelium: Joh 15, 26 f.; 16,12–15) hat sich erfüllt, sie ist der Grund für den Christus-Jubel und für die Vollendung von Ostern. Auch die Lesung aus der Apostelgeschichte mit der Erzählung vom Pfingstwunder steht deshalb unter dem «heute» der Verkündigung Jesu: «Heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt» (Lk 4,21). Die Verkündigung der Schrift in der Liturgie ist nicht Information über vergangene Ereignisse, sondern Proklamation, Ansage dessen, was ist – gilt – dauert, in die Gegenwart der jeweiligen Versammlung einfällt. Also: Heute hast du den Heiligen Geist gesandt – der einst in Jerusalem begonnene Vorgang dauert an und zieht die Menschen noch heute ins Geschehen hinein. So kann sich die Bitte aus dem Tagesgebet der Pfingstmesse erfüllen: «Erfülle die ganze Welt mit den Gaben des Heiligen Geistes, und was deine Liebe am Anfang der Kirche gewirkt hat, das wirke sie auch heute in den Herzen aller, die an dich glauben.»

Geistwirken

Doch was passiert, wenn der Heilige Geist wirksam wird und das sacramentum paschale vollendet? Die Präfation antwortet: Sie macht Menschen zum Bruder oder zur Schwester Christi, stellt also Gemeinschaft mit ihm her (consortium in der lateinischen Vorlage) und zwar durch ein Adoptionsverhältnis (filios adoptionis esse tribuisti), wie es insbesondere Paulus beschrieben hat: «denn ihr habt den Geist der Adoptivsöhne empfangen (accepistis spiritum adoptionis filiorum), in dem wir rufen: Abba, Vater» (Röm 8,15 f.). Sie schenkt allen Völkern Gotteserkenntnis und vereint die vielen Sprachen im Bekenntnis des einen Glaubens, so die Präfation mit gleich mehreren biblischen Anspielungen. Auf diese Weise wird der Heilige Geist zum principium, zum Urgrund der Kirche, was die deutsche Übersetzung wiedergibt mit dem Satz: «Am Pfingsttag erfüllst du deine Kirche mit Leben.» Die Vollendung des sacramentum paschale erweist sich damit als ein Anfang – damals in Jerusalem, heute in der liturgischen Feier.