Wir beraten

Drei Wünsche frei!   

Winfried Bader zur Lesung am 17. Sonntag im Jahreskreis SKZ 29-30/2008

Alttestamentliche Lesung: 1 Kön 3,5.7–12
Evangelium:Mt 13,44–52

Es ist ein alter Traum von Menschen, einen innigen Wunsch erfüllt zu bekommen. In Märchen ist es manchmal möglich, das jemand drei Wünsche frei hat. Aber wir kennen diese Märchen: Entweder braucht es eine grosse Gegenleistung, oder die Wünsche sind unüberlegt, immer führen die freien Wünsche den Helden auf irgendeine Art ins Unglück, bestenfalls wieder zu dem Zustand, wie er vorher war. Wir würden es natürlich besser machen als die Märchenhelden, so denken wir. Würden wir das wirklich tun? Was wäre dann ihr Wunsch?

Mit Israel lesen
Salomo, der grosse König Israels, bekommt dieses Angebot. Gott selbst erscheint ihm im Traum und gewährt ihm einen freien Wunsch, allerdings nur einen einzigen.

Was dies für Salomo wirklich bedeutet, wird erst klar, wenn man sieht, in welcher Situation er sich befindet.

Salomo ist König geworden. Gerade hat er sein Amt angetreten, an das er durch Palastintrigen gekommen war. Adonija, der jüngere Bruder des verstorbenen Abschalom, die David von seiner Frau Haggit in Hebron geboren wurden, beanspruchte – eigentlich zu Recht – die Nachfolge Davids. Als dieser auf dem Sterbebett liegt, lässt er sich bereits als König ausrufen (1 Kön 1,1–10).

Die Gefolgsleute Davids aus seiner Zeit in Hebron schart Adonija um sich und sichert sich ihre Unterstützung. Die Jerusalemer Leute am Hof sind aber gegen Adonija als König. Allen voran Batseba (vgl. 2 Sam 11); sie versucht ihren Sohn Salomo auf den Thron zu bringen (1 Kön 1,11–27). Der Prophet Natan (vgl. 2 Sam 7) und der Söldnerführer Benaja (vgl. 2 Sam 8,18) hatten dazu den Anstoss gegeben und unterstützen sie dabei. So bestimmt schliesslich der sterbende David Salomo als seinen Nachfolger (1 Kön 1,28–37).

Natan und Benaja präsentieren dem Volk Salomo als neuen König und lassen ihn vom Priester Zadok (vgl. 2 Sam 8,17) am Gihon zum König salben (1 Kön 1,38–40).

Als Adonija während seines Festgelages, an dem er sich als König feiern lässt, davon erfährt, bekommt er Angst und flüchtet zum Altar. Er ergreift die Hörner des Altares und wähnt sich an diesem Asylort sicher. Doch Salomo lässt ihn – das Asylrecht brechend – vom Altar wegholen und schickt ihn nach Hause (1 Kön 1,41–53).

Nach dem Tod Davids (1 Kön 2,10) geht Adonija zur Königsmutter Batseba und bittet sie, dass sie ihm «eine einzige Bitte» gewähren möchte (1 Kön 2,16). Adonija erbittet für sich Abischag aus Schunem, die dem sterbenden David diente, als Frau. Batseba trägt diesen Wunsch Salomo vor. Er fasst den Wunsch auf, als ob Adonija nach der Königswürde greifen würde (1 Kön 2,22). Es mag wohl die Vorstellung dahinter stecken, dass ein König jeweils den Harem seines Vorgängers übernahm, als Zeichen, dass er nun die Macht besitzt. Salomo lässt Adonija daher töten (1 Kön 2,25). Schliesslich lässt er noch dessen Gefährten Joab direkt am Asylort des Altars niederstossen (1 Kön 2,28–35) und der reiche Schimi, noch ein früherer Gegner Davids, wird von Salomo getötet (1 Kön 2,36–46).

Nun ist dieser noch neue König Salomo in Gibeon, um zu opfern, als Gott im Traum zu ihm spricht, um ihm eine Bitte zu gewähren. Was muss da in Salomo wohl vorgehen? Wie wird er reagieren? Wird er den gleichen einen Wunsch haben wie Adonija? Oder wird er um Vergebung bitten? Wird er menschliche Wünsche wie Reichtum, Macht und langes Leben vortragen? Welches wird ihm das wichtigste sein?

Salomo nimmt zunächst Bezug auf seinen Vater David, was unser Lesungstext aber auslässt. Durch die Feststellung: «Du (Gott) hast ihm (David) einen Sohn geschenkt, der heute auf seinem Thorn sitzt» (1 Kön 3,6) vergewissert er sich, dass er der rechtmässige Nachfolger ist, den «du, Gott, zum König gemacht hast» (1 Kön 3,7). Keine Entschuldigung, keine Reue, sondern Salomo interpretiert seine Thronbesteigung – hat er all die Intrigen vergessen? – als Willen Gottes, ja er fühlt sich sogar von Gott berufen als König. «Ich bin noch so jung» ist der typische Einwand von Propheten, wenn sie berufen werden (vgl Jer 1,6). Oder ist diese Unsicherheit Salomos («Ich weiss nicht, wie ich mich als König verhalten soll» 1 Kön 3,7) doch ein Hinweis, dass Salomo die Last des erschlichenen Königtums spürt?

Sein Wunsch ist: «ein hörendes Herz» (1 Kön 3,9). Der Midrasch zählt 58 Dinge auf, die das Herz zu tun vermag: «Es sieht und redet (Koh 1,16), es geht (2 Kön 2,56) und fällt (1 Sam 17,32), es freut sich (Ps 16,9) und schreit (Klgl 2,18), es liebt (Dtn 6,6) und hasst (Lev 19,17), es sinnt nach (Ps 49,4) und begehrt (Spr 6,26).» Das Herz ist der Inbegriff menschlichen Tuns. Im Herzen werden die guten und schlechten Vorsätze geformt, vom Herzen geht deren Verwirklichung aus. Das Herz steht daher für den ganzen Menschen. Ins Herz hinein schreibt Gott bei seinem Bund die Tora (Jer 31,33). Mit diesem «Herzenswunsch» bittet Salomo also um das Wesentliche des Menschseins. Er verknüpft damit den Wunsch der Menschheit überhaupt, die Erkenntnis von Gut und Böse, die unter Androhung des Todes dem Menschen zunächst verwehrt blieb (vgl. Gen 2,17).

Gott gewährt Salomo die Bitte, begründetes aber damit, weil er nicht um langes Leben, Reichtum oder den Tod gebeten hatte, sondern um Einsicht (1 Kön 3,11). War also der von Gott angebotene freie Wunsch nur ein Test? Hätte Gott zum Beispiel ein Verlangen nach Reichtum nicht gewährt? Das ist eine interessante und offene Frage, die letztlich eine Frage nach menschlicher Freiheit und göttlicher Vorsehung ist. Gott gewährt Salomo ein «weises und verständiges Herz» (1 Kön 3,12). Die Weisheit Salomos wird zum Kern der weiteren Erzählungen bis 1 Kön 10,29. Aber auch Reichtum, Ehre und langes Leben gibt Gott zusätzlich als Gaben hinzu (1 Kön 3,13–14), was unsere Sonntagslesung nicht mehr berichtet. Soll damit der moralisch Druck, sich das «Richtige» zu wünschen, erhalten bleiben?

Am Ende wird Salomo dann dieser Reichtum zum Verhängnis. Die Rabbinen sehen diesen Abfall Salomos und interpretieren, dass seine Weisheit letztlich doch nicht von Gott war, er sie nur auf überhebliche Art zu seinem Vorteil nutzen wollte. So kommen sie zu der Feststellung: «Wer ist weise? Wer von jedem Menschen lernt» (Simon Soma).

Mit der Kirche lesen
In den Gleichnissen des Sonntagsevangeliums geht es auch um diese Frage, was ist das Wichtigste, was ist der grösste Wunsch, den jemand hat. Der Schatz im Acker, die wertvolle Perle, sie sind so faszinierend, das der Mensch dafür alles andere hergibt. In dem Himmelreich, das damit verglichen wird, geht es dann auch um die Unterscheidung von Gut und Böse. Salomo kann uns hier helfen zu sehen, dass damit nicht das Gericht am Ende der Welt gemeint ist, sondern dass diese Unterscheidung von Gut und Böse wichtig ist für das Zusammenleben. So wie Salomo mit der Gabe dieser Unterscheidung sein Volk gut regieren konnte, so wird das Himmelreich hier auf Erden dann entstehen, wenn Gut und Böse von allen richtig unterschieden wird.

Haben wir diesen Wunsch nach dieser Perle, ein solches Himmelreich auf Erden?