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Neu anfangen   

Heute begann der Tag mit einem Streit zwischen mir und meinem Sohn. Es ging um seinen morgendlichen Schoppen, den ich ihm nicht auf die richtige Art ans Bett gebracht hatte. Wir haben da ein Ritual und eine Abweichung davon kann bittere Tränen auslösen. Dann ist er untröstlich und aus der Trauer kann rasch Wut werden und schon waren wir am Streiten.
Einige Zeit später sassen wir am Frühstückstisch und assen und lachten miteinander und freuten uns auf den gemeinsamen Tag.
«Von Kindern kann man lernen, neu anzufangen», hat mir vor kurzem ein Freund gesagt, der ebenfalls als Familienmann viel Zeit zuhause verbringt. Dieser Satz ist mir sehr wichtig geworden, nicht nur im Zusammensein mit meinem Sohn. Es ist eine Kunst, eine Lebenskunst, eine lebenslange Kunst, neu anfangen zu können. Nach einem Streit, klar. Aber auch zum Beispiel, wenn ich eine Zeitlang so gelebt habe, wie ich es eigentlich nicht will: zuviel gearbeitet, mir zu wenig Zeit für meine Familie genommen, mir gar keine Zeit für mich genommen oder oder oder.
Von Kindern kann man lernen, neu anzufangen. Dadurch ist mir auch ein altes biblisches Wort wieder näher gekommen: Umkehr. Das Wort ist leider belastet. Es trieft vor Moral und schlechtem Gewissen. Aber darum geht es nicht. Es geht darum, dass ich für mein Leben selbst verantwortlich bin und dass ich immer die Möglichkeit habe, etwas zu ändern. Ich glaube, Umkehr meint genau das, was wir von Kindern lernen können: die Fähigkeit neu anzufangen.

Peter Zürn