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Fulbert Steffensky, Schöne Aussichten. Einlassungen auf biblische Texte.   

Buch des Monats Dezember 2006

Fulbert Steffensky lässt sich auf Bibeltexte ein, er geht – so sein Bild dafür – in Bibeltexten spazieren und lädt uns ein ihn zu begleiten. Dabei öffnen sich weite Räume. Im ersten Teil seines Buches – Auslegungen überschrieben – spaziert er durch 30 Bibeltexte, von Genesis 4 («Kains Lebenszeichen») bis Offenbarung 21 («Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde»). Im zweiten Teil – Überlegungen – unternimmt er themenbezogene Spaziergänge, etwa zur «Väterlichkeit Gottes», zur Frage nach Tiersegnungen oder zu den Psalmen als «Liedern aus der Fremde». Zwei Räume sind es, die er dabei besonders aufsucht und begeht: der Raum der Kirche, wie sie ist und wie sie sein kann und der Raum der Begegnung mit unseren Toten, die Erinnerung an sie, ihr Gottesgespräch als Hinterlassenschaft für uns.
Der erste Teil des Buches geht also von Texten aus, der zweite von einer Gruppe von Menschen. Beides gehört für Steffensky eng zusammen, «Gruppe und Text gehören immer zusammen», es geht ihm um die Bibel und die Kirche, die sie liest und die durch das gemeinsame Lesen erst ihre wahre Kraft zur Entfaltung bringt.
Das Buch sammelt Texte Steffenskys aus verschiedenen Zeiten und zu verschiedenen Anlässen. Aktueller Ausgangspunkt des Buches ist das «Leiden an Texten». Nicht mehr in erster Linie das Leiden daran, dass die eigenen Erfahrungen von biblischen und kirchlichen Texten reglementiert, eingeengt und beherrscht werden. Sondern das Leiden daran, dass Menschen heute immer weniger Texte haben, die die Welt aufschliessen, dass sie «nur noch Gefangene ihrer eigenen Herzen sind». Steffenskys Buch ist eine leidenschaftliche Rechtfertigung für die Bewahrung alter Texte, der biblischen in erster Linie und ihre Weitertradierung in der Kirche. Die Bibel ist für ihn «das Gottesgespräch unserer Toten», biblische Texte borgen Erfahrungen aus, Erfahrungen von Niederlagen und von Gelingen, Erfahrungen, in die wir uns bergen können; die Texte und die Kirche, die sie tradiert, sind eine «Hoffnungsverleihanstalt» (alle Zitate aus dem Vorwort «Was finde ich an der Bibel?» S. 7-10).
Die einzelnen Beiträge des Buches sind relativ kurz – die 200 Seiten des Buches umfassen 50 Texte, d.h. die Texte sind überaus verdichtet, immer wieder verwandelt sich die Prosa gleichsam in poetische und liturgische Sprache, genährt von der Sprache der Bibel.
Wesentliche Überzeugungen Steffensky tauchen immer wieder auf, wiederholen sich bis in die Formulierung hinein. Das mag manche stören, die immer wieder Neues erwarten. Aber die Spaziergänge Steffenskys führen uns auf verschiedenen Wegen immer wieder an die Orte mit besonderer Bedeutung und diese Orte gewinnen dadurch an Tiefe.
Ein Verzeichnis der ausgelegten Bibelstellen ist vorhanden. Die Bibeltexte zu denen die Spaziergänge führen, stammen mehrheitlich aus dem Neuen Testament, die Briefliteratur ist gut vertreten. Ich hätte mir gerne noch mehr aus dem Alten Testament gewünscht. Es gibt aber kaum einen Beitrag, dem ich nicht eine wesentliche Entdeckung verdanke.

Peter Zürn

Fulbert Steffensky, Schöne Aussichten. Einlassungen auf biblische Texte. Radius-Verlag Stuttgart 2006, 219 Seiten, 29,00 Fr., 18 Euro, ISBN 3-87173-360-1

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