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Hermann-Josef Venetz, Er geht euch voraus nach Galiläa. Mit dem Markusevangelium auf dem Weg   

Buch des Monats Januar 2006

Hermann-Josef Venetz, Er geht euch voraus nach Galiläa. Mit dem Markusevangelium auf dem Weg, Paulusverlag Fribourg 2005, Pb., 230 S., 18.– Eur[D] / 28.– sFr, ISBN 3-7228-0668-2

Wenn jemand einen guten Einstieg in das Neue Testament sucht, dann empfehle ich ihm oder ihr seit langem die Lektüre des Markusevangeliums – und zwar «am Stück». Mit dem Buch von Hermann-Josef Venetz ist jetzt ein genialer Begleiter dazu erschienen. Wie ein guter Reiseführer nimmt er die Leserinnen und Leser an der Hand, schafft Voraus- und Rückblicke, gibt vertiefende Erklärungen, macht Exkurse und bleibt doch immer ganz eng am Text des Markusevangeliums selbst.

Wenn sich jemand fragt, warum es neben all den vielen Büchern, die bereits zum Markusevangelium auf dem Markt sind, «noch ein Markusbuch» braucht, so sei ihm hier gesagt: ein solches Markusbuch gibt es noch nicht! Auf absolut allgemeinverständliche Art und Weise geschrieben und von einer tiefen Gläubigkeit getragen lässt der Autor die Leserinnen und Leser Entdeckungen machen, die nicht nur ihr Wissen, sondern auch ihr (Glaubens-)Leben bereichern. Er orientiert sich in seiner Exegese – v. a. was den Aufbau des Evangeliums betrifft – eng an dem Kommentar des Holländers Bas van Iersel, der unbegreiflicher Weise seit Jahren schon nicht mehr lieferbar ist. Damit ist der Schwerpunkt sehr konsequent auf die (theologische) «Geographie» des Markusevangeliums gelegt: Galiläa – Weg nach Jerusalem – Jerusalem – (voraus nach Galiläa). Die literarische Kunst des Evangelisten, der – wie Venetz – seine Leserinnen und Leser mit auf einen Weg nimmt, blitzt immer wieder auf, auch in der kunstvollen Rahmung des Mittelteils durch zwei Blindenheilungen (Mk 8,22-26 / 10,46-52): Die Blindheit der Jünger, die auf dem Weg nach Jerusalem belehrt werden müssen, wird gerahmt durch zwei ehemals Blinde, die Jesus nachfolgen. Oder: Die parallele Gestaltung der «Ouvertüre» in den Handlungssträngen Johannes der Täufer und Jesus von Nazaret mit der Themenabfolge «Taufe – Wüste – Verkündigung» wird im Buchdruck eigens hervorgehoben.

Innerhalb dieser kurzen Besprechung kann natürlich nicht auf alle «Highlights» des Buches von Venetz eingegangen werden. Deshalb möchte ich nur kurz und exemplarisch seine Auslegung der Markusapokalypse erwähnen. Den Verständnisschwierigkeiten heutiger Leserinnen und Leser angemessen widmet Venetz dem Kapitel Markus 13 ganze 28 Seiten. Auf pädagogisch äusserst geschickte Weise referiert er zunächst historisch die Endzeitstimmung um das Jahr 70, als das Evangelium entstand, führt dann ein in «Die Apokalyptik als Phänomen der Geschichte» auf dem Hintergrund von Texten aus den Makkabäerbüchern und vor allem dem Danielbuch, um damit die Grundlage für ein angemessenes Verständnis des «Menschensohnes» bei Markus zu schaffen (»Zurück zu Markus»). So schlägt er den Bogen zurück zur Endzeitstimmung der damaligen christlichen Gemeinden. Für Venetz ist Markus 13 «alles andere als ein ,Fremdkörper´ im Markusevangelium» und vertritt eine absolut präsentische Eschatologie: «Nicht von einer fremden, fernen Endzeit berichtet dieses Kapitel, sondern von einer Verheissung, die jetzt schon in Erfüllung geht, wenn auch unter bedrängenden Umständen.» (187) Mit einer Betrachtung «... jetzt in dieser Zeit» und einem Verweis auf Mk 10,28-31 schliesst er die Auslegung der Markusapokalypse.

Ich kann mich den Wünschen des Autors, die er für den Klappentext des Buches formuliert hat, nur anschliessen: «Wie sehr wünschte ich meinen Leserinnen und Lesern, dass sie sich einmal (oder zweimal oder besser noch dreimal) einen Abend oder auch einen Morgen Zeit nehmen, das ganze Markusevangelium zu lesen. Ich kann ihnen versichern: Sie werden Entdeckungen machen, die sie sonst nie gemacht haben, Entdeckungen, die ganz einfach umwerfend sind und das Buch, das ich hier schreibe, schlicht überflüssig machen.»

Dieter Bauer

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