Wir bringen die Bibel ins Gespräch

«Exodus: Götter und Könige» (Ridley Scott)   

Weder biblisch noch kreativ – eine Filmkritik von Detlef Hecking zum neuen Mosesfilm

Manche Literaturverfilmungen sind kongenial: Sie interpretieren ihre Vorlage einfühlsam und eröffnen zugleich Räume für ganz eigene Assoziationen und innere Bilder. Andere sind eigenständig-kreativ: Sie lehnen sich frei an einen Text an, interpretieren vieles ganz anders und werfen gerade so alte und neue Fragen zu den Grundthemen des Stoffes auf.

Der neue Film «Exodus: Götter und Könige» des Action- und Historienfilm-Regisseurs Ridley Scott (»Alien», «Gladiator» u.v.m.) bietet weder das eine noch das andere. Herausgekommen ist ein monumentaler Schlachten- und Kostümfilm mit Spezialeffekten in 3D, der die vielschichtige biblische Exodus-Erzählung auf einen Machtkampf zwischen Mose (Christian Bale) und dem Pharao (Joel Edgerton) reduziert. Das kann unterhaltsam sein – nur sollte das Filmepos nicht mit der biblischen Exodus-Erzählung verwechselt werden, zumal Scott das Ganze mit einem klischeehaften, strafend-rächenden Gottesbild kombiniert.

Selbstverständlich: Es wäre verfehlt, ja grotesk, einen Mainstream-Hollywoodfilm an der Treue zur biblischen Erzählung oder an der Interpretation theologischer Inhalte zu messen. Aber vergleichen darf und sollte man sehr wohl, was für eine Geschichte unter dem Titel «Exodus» jeweils erzählt wird.

Die augenfälligsten Unterschiede zeigen sich dabei nicht in den kleineren Details, dass Mose beispielsweise in freier Interpretation von Exodus 2 wie ein Bruder des späteren Pharao aufwächst und so zum Thronkonkurrenten wird oder dass die biblisch zentrale sprachlich-rhetorische Unbegabtheit des Mose (Exodus 4,10ff) im Film geradezu in ihr Gegenteil verkehrt wird.

Relevanter werden die Unterschiede in anderen Erzählsträngen. So sucht Ridley Scott’s Gott in der Dornbusch-Szene (Exodus 3) z.B. explizit einen «General» zur Befreiung des versklavten hebräischen Volkes. Den findet er in Person des (nach Scott) kampferprobten, in der Führung des ägyptischen Heeres erfahrenen Mose, und dieser schreitet dann auch konsequent zur Tat: Er bildet die Hebräer zu einer schlagkräftigen Guerilla-Armee aus, die Angst und Schrecken in der ägyptischen Bevölkerung verbreitet, ohne dadurch allerdings die Freiheit erkämpfen zu können. Als der Pharao mit nochmals verschärftem Terror reagiert, kommt wieder Gott zum Zug: Gespielt von einem zehnjährigen Jungen – eine der wenigen wirklich kreativen Ideen im Film –, kündigt Gott zornentbrannt eine grauenhafte Plagenserie gegen Ägypten an. Wohl selten sind allzu menschliche Gottes-Projektionen derart vereinfachend-anschaulich und zugleich absolutistisch-erbarmungslos ins Bild gesetzt worden wie hier.

Zugegeben: Die ausgesprochen legendenhafte biblische Exodus-Erzählung, die nicht als historischer Tatsachenbericht missverstanden werden darf, bietet diesbezüglich bereits mehr als genug Schwierigkeiten für Menschen- und Gottesbilder. Doch der biblische Mose geht eins ums andere Mal zum Pharao und bittet, fleht, verhandelt, mit nichts als einem Stock in der Hand, um die Freiheit seines Volkes. Immer wieder verweigert der Pharao die Freilassung, und die Plagen werden nicht nur von Mose, sondern auch von ägyptischen Zauberern selbst im magischen Konkurrenzkampf mit Mose über Ägypten herabgerufen. Später verspricht der Pharao nicht weniger als vier Mal die Freilassung der Hebräer, bricht sein Wort aber jedes Mal, nachdem Mose den Plagen Einhalt geboten hatte (Exodus 5-10).

Das alles macht die Herausforderungen an Gottes- und Menschenbilder auch in der biblischen Exodus-Erzählung nicht kleiner. Doch die Bibel lenkt das Scheinwerferlicht auf ein unbelehrbares, brutales System totalitärer Herrschaft, das neben den hebräischen Sklaven auch das eigene Volk rücksichtslos opfert. Die Befreiung der Hebräer aus diesem System gelingt nicht durch eigene Anstrengungen oder gar Gewalt, sondern nur durch die ganz andere Macht Gottes – verkörpert durch einen persönlich durch und durch machtlosen Mose, der immer wieder auch mit der Uneinigkeit im eigenen Volk konfrontiert wird.

Die jüdische und christliche Rezeption setzt diese Lektüre der Exodus-Erzählung seit jeher fort und betont z.B. nachdrücklich das Mit-Leiden Gottes mit den ägyptischen (und hebräischen) Opfern der Hartherzigkeit Pharaos. So kann die biblische Exodus-Erzählung trotz einiger unerträglich gewaltsamer Einzelzüge tatsächlich als Befreiungserzählung gelesen werden, die bis heute herrschaftskritisches und emanzipatorisches Potential freizusetzen sowie relevante Gottesfragen aufzuwerfen vermag. Ridley Scott erzählt hingegen von zwei Helden im Bruderzwist und einem rachsüchtigen Gott, der auf menschliche Gewalt mit noch grösserer Gewalt antwortet. Damit unterscheidet sich «Exodus: Götter und Könige» in nichts von anderen Kampf- und Kostümfilmen, aber umso mehr von der biblischen Exodus-Erzählung.

Meine Empfehlung deshalb: Film anschauen und das biblische Exodus-Buch lesen. Und sich dann überlegen, welche der beiden so unterschiedlichen Exodus-Erzählungen weg-weisendere Perspektiven für Menschen- und Gottesfragen heute bietet.

 

Publikationshinweise:

Empfehlenswerte Publikationen zu Mose/Exodus:

  • Mose (Welt und Umwelt der Bibel, Heft 3/2006), Fr. 19.-
  • Exodus (Bibel und Kirche, Heft 4/2007), Fr. 5.50
  • Ulrike Bechmann, Zwölf Frauen um Mose, Stuttgart 2008, Fr. 12.-
  • Gewalt(tät)ige Bibel (Bibel und Kirche, Heft 3/2011), Fr. 11.-
  • Tora. Die fünf Bücher Mose (Bibel und Kirche, Heft 1/2010), Fr. 11.-

Alle Hefte sind erhältlich bei der Bibelpastoralen Arbeitsstelle des Schweizerischen Kath. Bibelwerks, Bederstr. 76, 8002 Zürich, info@bibelwerk.ch, Tel. 044 205 99 60, www.bibelwerk.ch/shop

 

 

Detlef Hecking ist Leiter der Bibelpastoralen Arbeitsstelle des Schweizerischen Katholischen Bibelwerks in Zürich und Lehrbeauftragter für Neues Testament am Religionspädagogischen Institut der Universität Luzern.

 

30.12.2014

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