Wir bringen die Bibel ins Gespräch

Die Bibel Jesu ernst nehmen   

Dieter Bauer zur Auslegung der alttestamentlichen Lesungen im Lesejahr C, SKZ 47/2006

Als die Pilgernonne Eteria im 4. Jahrhundert Jerusalem besuchte, lernte sie einen bemerkenswerten Brauch in der dortigen Kirche kennen: Sie berichtet davon, wie der Bischof von Jerusalem mit den Taufbewerbern jeweils zweimal das ganze Alte Testament gelesen habe. Nach einem ersten Durchgang mit einer wörtlichen Erklärung, den sie «dem Fleische nach» (carnaliter) nennt, habe es eine «geistliche» (spiritualiter) Re-Lecture (im Horizont des Christusereignisses) gegeben. Was der Bischof von Jerusalem im 4. Jahrhundert bereits praktiziert hat, ein zweifacher Zugang zum Alten Testament, ist etwas, das heute in seiner Sinnhaftigkeit erst wieder langsam wiederentdeckt wird.1

Der Umgang der Christen mit dem AT

Der Umgang der Christen mit den heiligen Schriften Israels war in den Anfängen des Christentums tatsächlich noch ein absolut unkomplizierter gewesen. Bis weit ins zweite Jahrhundert hinein wurden ganz selbstverständlich die Schriften Israels, die ja die Bibel Jesu gewesen waren, in den christlichen Gottesdiensten gelesen, ausgelegt und heilig gehalten. Auch für die Verfasser und Begründer des NTs ist das AT ja ganz einfach die «Schrift»; erst die werdende Kirche konnte allmählich einen neutestamentlichen Kanon formen, der nun ebenfalls Heilige Schrift bildete, aber doch immer in der Weise, dass er die Bibel Israels, die Bibel der Apostel und ihrer Schüler, die nun erst den Namen «Altes Testament» empfängt, als solche voraussetzt und den Deutungsschlüssel für sie liefert.

Dieses Verständnis zeigt sich darin, dass in der christlichen Bibel nicht nur ganz selbstverständlich die heiligen Schriften Israels enthalten sind, sondern sogar vollständig und an vorderster Stelle. Sie wurden nicht etwa einer «christlichen Redaktion» unterzogen. Und «kein Jota» wurde verändert!

Massgeblich für diese Entscheidung der christlichen Kirchen war gewesen, dass «das mit Jesus aus Nazaret» nur «ausgehend von Mose und allen Propheten » und dem, «was in der gesamten Schrift über ihn geschrieben steht», zu verstehen sei, wie es die Emmausgeschichte so schön beschreibt (Lk 24,19.27). Das «Neue Testament» hatte also keinen Wert in sich, sondern nur im Hinblick auf den vollständigen Kanon christlicher Schriften. Denn: «Ohne das Alte Testament wäre das Neue Testament ein Buch, das nicht entschlüsselt werden kann, wie eine Pflanze ohne Wurzeln, die zum Austrocknen verurteilt ist.»2 Oder wie es der damalige Präfekt der römischen Glaubenskongregation und heutige Papst etwas weniger poetisch, dafür aber umso prägnanter formuliert hat: «Was man dabei übrig liesse, unser Neues Testament, wäre in sich sinnlos.» 3

Es mag sein, dass in den Anfängen des Christentums noch der Glaube – oder sagen wir besser: die Hoffnung – herrschte, dass diese Sicht der jüdischchristlichen Offenbarung für Christen und Juden einmal plausibel werden könnte. Leider war das aber nicht der Fall – weder für die einen, noch die andern. Während der ganz grosse Teil des Judentums sich auf die messianische Interpretation ihrer heiligen Schriften nicht einlassen konnte, kam es auch christlicherseits zu einer Absolutsetzung des NTs. Es wurden sogar mehrere Modelle entwickelt, die alle auf dasselbe hinausliefen: das Christusereignis auf der dunklen Hintergrundfolie des ATs nur noch heller erstrahlen zu lassen:4

Das Modell der Relativierung

Verheissungen Gottes an Israel, sein auserwähltes Volk, sind im AT ein tragendes und herausragendes Element. Doch ist nicht zu übersehen, dass viele Zusagen Gottes sich innerhalb des ATs selbst bis jetzt nicht oder nur teilweise erfüllt haben, so dass das AT ein auf Zukunft offenes Buch ist, das Erwartungen auf letzte Erfüllungen weckt. Es enthält sozusagen einen «Überschuss an Verheissungen». Die frühe Kirche hat gerade solche Texte neu gelesen und das Christusereignis als deren Erfüllung verstanden. Für sie war Christus der im AT verheissene Messias und so das «Amen» Gottes zu allen seinen Verheissungen (vgl. 2 Kor 1,19 f.).

Die Gefahr dieser Sicht liegt auf der Hand: das AT kann dadurch als «erledigt» und in diesem Sinne «altes» Testament angesehen werden, das (für Christen) keinen Eigenwert mehr hat. Jedenfalls würden das heute noch viele Christen so sehen.

Man muss sagen: Es sind weder alle Verheissungen des ATs in Jesus Christus erfüllt, noch kann Jesu Leben und Verkündigung als Ganzes als Erfüllung aller alttestamentlichen Verheissungen verstanden werden. Das bedeutet, dass das AT auch nach Christus und dem Werden der Kirche seine Eigendynamik und seinen Eigenwert behält! Das Judentum zeigt dies nachdrücklich durch seine 2000-jährige nach-christliche Geschichte.

Und, obwohl dies immer wieder geschieht: Es ist für Christen nicht erlaubt zu trennen in das AT als die jüdische Bibel (mit einer jüdischen Theologie) und in das NT als die christliche Bibel (mit einer christlichen Theologie). Es gibt zwar für die Christen zwei «Testamente», aber eine Bibel und daher letztlich auch nur eine biblische Theologie, deren Inhalt die eine Offenbarung Gottes ist, die mit dem AT beginnt und sich – nach christlichem Glauben – im NT fortsetzt bzw. vollendet. Beide Testamente bilden den einen christlichen «Kanon» der Heiligen Schriften. Allerdings: die Christen lesen und verstehen das AT natürlich nicht nur in seinem Eigenwert als Offenbarung an Israel, sondern auch im Licht der neutestamentlichen Christusoffenbarung, die sie als von Gott legitimierte und autorisierte Fortsetzung der alttestamentlichen Offenbarungsgeschichte verstehen. Diese beiden «Leseweisen», die oben bereits mit der Praxis der frühen Jerusalemer Kirche angesprochen waren, sind ganz entscheidend.

Ein anderes Modell, das Verhältnis zwischen AT und NT relativierend zu bestimmen, ist die «Typologie». Geschehnisse oder Personen der Vergangenheit werden mit Geschehnissen oder Personen in der Gegenwart oder Zukunft in ein besonderes Entsprechungsverhältnis gebracht. Das Neue «überbietet» oder «vollendet» den als eine Art Vorausdarstellung verstandenen Typos des Alten.

Die typologische Deutung findet sich schon im AT selbst, wenn etwa Deuterojesaja in der Zeit des Exils dem ersten Exodus einen ganz neuen gegenüber stellt. Im NT greift besonders Paulus auf die typologische Deutung zurück, aber auch im Hebräerbrief und im Johannesevangelium findet sich typologischer Schriftgebrauch.

Wirkungsgeschichtlich allerdings viel bedeutsamer als diese einzelnen Texte war die Kunst des Mittelalters. Sie ist zusammen mit der Allegorie auch ausgesprochen stark von der Typologie geprägt. Mit ihrer Hilfe wollte man einen tiefen, verborgenen und «geistlichen» Sinn der Schrift entdecken. Dabei konnte fast alles und jedes zum Typos oder zur Allegorie werden. Bekanntestes Beispiel ist wohl die Adam–Christus-Typologie.

Kann man dem eigentlichen Anliegen dieser «Methode», nämlich Texte der Vergangenheit für die jeweiligen Zuhörer/Zuhörerinnen zu vergegenwärtigen und damit ihren aktuellen und existentiellen Anspruch zu entdecken, durchaus zustimmen, so ist nicht zu übersehen, dass durch sie der Gefahr Vorschub geleistet wird, das AT nur als eine «vorläufige» und zweitrangige Offenbarungsquelle zu betrachten, in der nur der «Schatten des Kommenden» (= das NT und die Kirche) zu finden ist.

Das Modell der Heilsgeschichte

Das Modell der «Heilsgeschichte» geht von der Voraussetzung aus, dass alles, was in der menschlichen Geschichte geschieht, nach einem vorgefassten göttlichen Plan abläuft, der sich – unbeschadet der menschlichen Freiheit – im Lauf der Menschheitsgeschichte verwirklicht. Die Folge von «Verheissung und Erfüllung » ist auch hier ein wesentliches Element.

Es ist jedoch fraglich, ob die alttestamentliche Überlieferung (Ereignisse, Verheissungen) als Ganzes unter diesem Begriff «Heilsgeschichte» subsumiert werden kann. Jedenfalls ist eine solche Kontinuität keineswegs offensichtlich, und das AT selbst bietet in diesem Sinn keine durchgehende Geschichtsdarstellung. Der Umgang mit historischen Fakten ist nach heutigen Massstäben sogar eher sorglos. Und die Geschichte Israels (und die der Menschheit) ist beim besten Willen nicht nur eine Heils-Geschichte, sondern wird auch von Unheil bestimmt.

Im Verhältnis der beiden Testamente zueinander ist zudem zu fragen, ob das NT in dieser Weise als geradlinige und kontinuierliche Fortsetzung der alttestamentlichen Geschichte überhaupt verstanden werden kann. Das NT steht zwar unverkennbar und bewusst in Kontinuität mit der alttestamentlichen Offenbarungsgeschichte, doch ist es nicht deren einzige Fortsetzung, wie das nach-christliche rabbinische Judentum zeigt. Auch sprechen widersprüchliche Elemente und die Tatsache eines Bruchs zwischen beiden (z. B. in der Frage der gesetzesfreien Heidenmission) gegen eine glatte Kontinuität. Die neutestamentlichen Verfasser berufen sich zwar oft und selbstverständlich auf «die (alttestamentliche) Schrift», aber so gut wie nie ausdrücklich auf eine in ihr dargestellte Heilsgeschichte.

Das Modell der Ersetzung

Am verhängnisvollsten hat sich allerdings das sog. «Substitutionsmodell» ausgewirkt, welches besagt, dass die Kirche die Synagoge und damit das Gottesvolk des Neuen Bundes dasjenige des Alten Bundes abgelöst habe. Was sich an vielen Portalen gotischer Kathedralen (z.B. in Strassburg) zeigt, ist die Figur einer blinden Synagoga mit zerbrochenem Stab auf der einen Seite und demgegenüber die einer strahlend triumphierenden Ecclesia mit dem christlichen Banner. Dass eine solche Sichtweise nicht nur unbewusst Jahrhunderte lang verheerende Auswirkungen auf christliche Kirchgänger ausgeübt hat, liegt auf der Hand, von der Beleidigung der jüdischen Schwestern und Brüder einmal ganz zu schweigen.

Eine neue Sicht nach der Katastrophe der Schoa

Es ist nicht zu bestreiten, dass die oben angegebenen Umgangsweisen des Christentums mit dem Judentum und seinen heiligen Schriften mit dafür verantwortlich waren, dass sich die beiden Geschwister über die Jahrtausende so entfremdet haben. Nur so konnte es dazu kommen, dass kirchlicherseits dem wachsenden Antisemitismus in den vergangenen Jahrhunderten nicht so Widerstand geleistet wurde, dass die Vernichtung von Millionen Juden in Europa hätte verhindert werden können. Der Nährboden für eine theologisch motivierte Judenfeindschaft war auch dadurch bereitet, dass eine christlich-jüdische Verhältnisbestimmung einseitig von den Christen vorgenommen wurde. Umso grösser war dann das Erschrecken darüber, dass im «zivilisierten Europa» so etwas überhaupt möglich geworden war.

Schon bald nach dem Zweiten Weltkrieg setzte unter christlichen Theologinnen und Theologen ein Nachdenken darüber ein, wie es denn dazu hatte kommen können, worin wohl auch der Anteil christlicher Theologie gelegen habe und wie sich eine solche Katastrophe in Zukunft vermeiden liesse. Nicht nur die «Gottesfrage nach Auschwitz» wurde verhandelt, sondern es wurde vor allem auch das Gespräch mit den jüdischen Brüdern und Schwestern gesucht um das zu lernen, was Christen über Jahrhunderte verlernt hatten: das Alte Testament in seinem Eigenwert anzuerkennen und zu verstehen.

Diese Neubesinnung auf die jüdischen Wurzeln des Christentums und auf die leidvolle Trennungsgeschichte hat sich in vielfacher Weise auch in den Dokumenten des Zweiten Vatikanischen Konzils niedergeschlagen, wo sich vor allem auch der Aufruf zum christlich-jüdischen Gespräch findet: «Da also das Christen und Juden gemeinsame geistliche Erbe so reich ist, will die Heilige Synode die gegenseitige Kenntnis und Achtung fördern, die vor allem die Frucht biblischer und theologischer Studien sowie des brüderlichen Gespräches ist.» Die Kirche kann «auch nicht vergessen, dass sie durch jenes Volk, mit dem Gott aus unsagbarem Erbarmen den Alten Bund geschlossen hat, die Offenbarung des Alten Testamentes empfing und genährt wird von der Wurzel des guten Ölbaums, in den die Heiden als wilde Schösslinge eingepfropft sind.» Ausserdem hält das Konzil fest: «Gewiss ist die Kirche das neue Volk Gottes, trotzdem darf man die Juden nicht als von Gott verworfen oder verflucht darstellen, als wäre dies aus der Heiligen Schrift zu folgern. Darum sollen alle dafür Sorge tragen, dass niemand in der Katechese oder bei der Predigt des Gotteswortes etwas lehre, das mit der evangelischen Wahrheit und dem Geiste Christi nicht im Einklang steht.»5

Die weiteren Auswirkungen dieser wiedergewonnenen Sicht der Auslegung des Alten Testaments finden sich dann besonders in den Dokumenten der Päpstlichen Bibelkommission «Die Interpretation der Bibel in der Kirche» (IB)6 und «Das jüdische Volk und seine Heilige Schrift in der Christlichen Bibel» (JV)7 , jeweils mit Geleitworten des jetzigen Papstes. Bereits im erstgenannten Dokument war festgehalten worden, dass die Fortführung der oben angegebenen älteren Modelle der Verhältnisbestimmung zwischen AT und NT inzwischen nicht mehr aufrechterhalten werden kann: «Innerhalb der christlichen Bibel sind die Beziehungen zwischen Neuem und Altem Testament zweifellos komplex. Wenn es um die Benützung bestimmter Texte geht, lesen sie die Verfasser des Neuen Testaments natürlich im Rahmen der Kenntnisse und Interpretationsweisen ihrer Epoche. Es wäre ein Anachronismus, wollte man von ihnen verlangen, sich der modernen wissenschaftlichen Methoden zu bedienen. Der Exeget muss vielmehr die früheren Interpretationsweisen kennenlernen, um ihren Gebrauch verstehen und würdigen zu können. Andererseits soll er selbstverständlich dem keinen absoluten Wert beimessen, was nur von der Begrenzung menschlicher Auslegungskunst Zeugnis ablegt» (IB III A.2). Viel klarer in dieser Richtung ist dann das zweitgenannte Dokument (JV). Wahrscheinlich weil die antijudaistische Wirkungsgeschichte dort viel präsenter war, konnte man im Hinblick auf die typologische und allegorische Bibelauslegung der Kirchenväter und des Mittelalters formulieren: «Gewiss besass die dargelegte Lehre ihren Wert, da sie vom Glauben beseelt und von einer Gesamtkenntnis der Schrift im Lichte der Überlieferung geleitet war. Doch stützte sie sich nicht auf den ausgelegten Text. Sie wurde diesem vielmehr hinzugefügt. So blieb es unvermeidlich, dass dieser Zugang zur Schriftauslegung in dem Augenblick, in dem er seine schönsten Früchte zeitigte, doch in eine unwiderrufliche Krise geriet.» (JV Nr. 20).

Konsequenzen für heute

Nimmt man die Früchte dieses neuen Nachdenkens über unser Verhältnis zum Judentum und speziell zum AT wirklich ernst, dann muss noch wesentlich mehr als nur die christliche Bibelauslegung auf den Prüfstand. Wenn man nämlich wirkungsgeschichtlich genau hinschaut, was diese Entfremdung zwischen Christentum und Judentum am meisten befördert hat, kommen wir nicht daran vorbei, auch unsere eigene christliche Liturgie – und ich meine hier nicht nur die Predigt – zu befragen.

Ich meine z.B., dass die konsequente und noch immer geübte Gewohnheit, bei der Verlesung der alttestamentlichen Schriften sich hinzusetzen und beim Evangelium aufzustehen, weit wirkmächtiger gewesen ist für das Verhältnis der Gläubigen zum AT, als manche unerleuchtete Predigt. Und besonders augenfällig wird all dies z.B. in der Liturgie der Osternacht, wo mit grossem Aufwand an Rhetorik und Symbolik das alttestamentliche «Volk, das im Finstern sitzt» für jeden Gottesdienstbesucher so eindrücklich erfahrbar gemacht wird, dass das «Gloria» – kombiniert mit dem Glockengeläute und der Festbeleuchtung – das Evangelium erst recht aufleuchten lassen kann.

Um nicht missverstanden zu werden: Ich weiss, dass die heilige Liturgie eine Jahrhunderte lange Tradition und innere Weisheit hat. Und ich weiss auch, dass sich solche Traditionen nicht von heute auf morgen verändern lassen. Das hat ja – für viele sicher erschreckend – die bis heute umstrittene Liturgiereform des Zweiten Vatikanums gezeigt, und das ist immerhin auch schon wieder vierzig Jahre her. Trotzdem meine ich, dass wir nicht umhin können, als richtig Erkanntes in allen Konsequenzen auch wirksam werden zu lassen. Selbst wenn es da «Heilige Kühe» geben sollte.

Die kommenden Lesungsauslegungen

Für die Auslegungen der alttestamentlichen Lesungen der Sonn- und Feiertage, die ab dem neuen Lesejahr in der SKZ erscheinen werden, haben wir – das ist ein Projektteam unter Federführung der Bibelpastoralen Arbeitsstelle – uns vorgenommen, die genannten Erkenntnisse fruchtbar zu machen.

Das heisst in erster Konsequenz, dass wir den alttestamentlichen Text der Lesung nicht ohne Zusammenhang mit der Liturgie in den Blick nehmen wollen. Wir sind deshalb auch im Gespräch mit dem Liturgischen Institut der Schweiz, das mit seinem Team immer wieder Grundsatzbeiträge beisteuern wird sowie in der Osterzeit – wenn die Apostelgeschichte gelesen wird – die Psalmen des Gottesdienstes auslegen wird.

Trotzdem wollen wir auch dem AT in seinem Eigenwert zu seinem Recht verhelfen. So haben wir uns den folgenden Aufbau der Beiträge vorgenommen:

1. Die Themensetzung

erscheint als erster Abschnitt ohne eigene Überschrift. Sie geschieht zwar bevorzugt vom Sonntagsevangelium her, berücksichtigt aber dabei selbstverständlich die alttestamentliche Lesung sowie auch Tagesaktualitäten und das Kirchenjahr.

2. Mit Israel lesen

Dann erfolgt als Erstes eine Lektüre der alttestamentlichen Lesung mit Blick auf die Erstadressaten – das Volk Israel. Unter der Überschrift «Mit Israel lesen» wird der alttestamentliche Text «rein und unvermischt » und ohne irgendwelche christologischen Bezüge als «Bibel Israels» gelesen. Diese Auslegung ist keine Zusammenfassung alttestamentlicher Kommentare, sondern geschieht existentiell und aktualisierend unter Berücksichtigung auch der jüdischen Schriftauslegung. Nötige exegetische Zusatzinformationen («Glossar») werden wir je nachdem in einem speziellen Kasten beigeben. Auf diese Weise möchten wir zuallererst der Ursprungsintention des ATs (intentio operis) gerecht werden.

3. Mit der Kirche lesen

Erst in einem zweiten Schritt erfolgt dann unter der Überschrift «Mit der Kirche lesen» die Lektüre im Blick auf die Zweitadressaten – die Christen. Die christologische Interpretation des ATs wird eröffnet durch eine «Umkehr» zum AT. Begründet kann eine solche «Umkehr» sein durch die zahlreichen Rückverweise und Zitate des ATs im NT, aber auch durch thematische Entsprechungen und Weiterführungen, die erst im Blick auf den gesamten christlichen Kanon wirklich sichtbar werden. Diese christliche Re-Lecture muss nicht streng vom Sonntagsevangelium ausgehen oder auf dieses hinführen, sondern kann ebenso andere liturgische Teile berücksichtigen (z. B. den Segen), eine Einordnung in den Gesamtkanon vornehmen oder auch auf das Kirchenjahr Bezug nehmen. Im Idealfall wird hier die Themensetzung wieder aufgenommen oder auf sie hingeführt.

Bei all dem wollen wir aber daran festhalten: Die erste Lektüre «mit Israel» ist kritischer Massstab für das christliche Verstehen des ATs!

Unsere Hoffnung
Was wir uns durch unsere Beiträge in der SKZ erhoffen, ist nicht nur eine Ermutigung der Predigerinnen und Prediger, wieder einmal auch die alttestamentliche Lesung auszulegen. Wir versprechen uns durch diesen Versuch einer Umsetzung neuerer Erkenntnisse der alttestamentlichen Hermeneutik auch, dass der Umgang mit dem AT und unseren jüdischen Schwestern und Brüdern selbstverständlicher und wieder neu bereichernd werden kann. Das wäre der schönste Lohn für unser Projektteam.

Das Team
Winfried Bader, Dr. theol., Theologiestudium in Tübingen und Salamanca; 1989 Promotion in Tübingen auf Grund einer alttestamentlichen Dissertation. 8 Jahre Tätigkeit auf dem Grenzgebiet von Computerlinguistik und Exegese an der Universität Tübingen; 7 Jahre Lektor für elektronische Publikationen bei der Deutschen Bibelgesellschaft in Stuttgart; zuletzt Cheflektor und Programmleiter beim Verlag Katholisches Bibelwerk in Stuttgart. Seit 2005 Seelsorger und Gemeindeleiter in der Diözese Basel.

Rita Bahn, Diplomtheologin, Studium der Theologie in Bonn. Seit 1993 in der Schweiz. Zunächst als Seelsorgerin, später als Gemeindeleiterin in der Pfarrei Heilig Geist, Zürich-Höngg, tätig. Derzeit freischaffende Theologin und Körpertherapeutin.

Dieter Bauer, Diplomtheologe, nach dem Theologiestudium in Tübingen und Chur über 20 Jahre tätig beim Katholischen Bibelwerk in Stuttgart als Erwachsenenbildner und Redakteur biblischer Zeitschriften. Seit 2002 Leiter der Bibelpastoralen Arbeitsstelle und Zentralsekretär des Schweizerischen Katholischen Bibelwerks.

André Flury, Dr. theol. Des., Studium der Theologie in Luzern, Jerusalem und Münster. Promotion im AT («Abrahams Segen und die Völker»). Seit 2004 Theologe in der Pfarrei Dreifaltigkeit Bern. Verheiratet, Vater zweier Kinder (Madeleine *02, Noah *04).

Peter Zürn, Diplomtheologe, Pädagoge und Familienmann, nach dem Studium in Tübingen tätig in der kirchlichen Jugendarbeit in Frankfurt/Main und Aarau, als kirchlicher Erwachsenenbildner und Mittelschullehrer in Aarau. Ausgebildeter Bibliodramaleiter und Männerberater. Seit 2004 Fachmitarbeiter an der Bibelpastoralen Arbeitsstelle des Schweizerischen Katholischen Bibelwerks in Zürich.