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Kluge Mädchen kommen überall hin …   

Winfried Bader zum Evangelium am 32. Sonntag im Jahreskreis: Mt 25,1–13, SKZ 43/2011

 

Kaum ein Gleichnis ist so oft an Kirchgebäuden dargestellt wie dieses von den 10 heiratsfähigen ledigen Mädchen. Lässt es sich einfach in einem Bogen besonders gut darstellen, oder hat es einen tieferen Grund? Was ist das Wichtige an der Botschaft, dass es so oft dargestellt ist?

« ... was in den Schriften geschrieben steht»

Das Gleichnis zeigt uns eine Bildwelt. Das Leben in Gottes gerechter Welt ist wie eine Hochzeitsfeier, d. h. Freude, Festgemeinschaft und Leben pur. Gott ist der Bräutigam und feiert mit uns. Das Verhältnis von Gott zu den Menschen mit dem Bild der Ehe zu beschreiben, hat Hosea eingeführt. Er beschreibt so den Bund, den Gott mit Israel geschlossen hat: «Ich traue dich mir an auf ewig; ich traue dich mir an um den Brautpreis von Gerechtigkeit und Recht, von Liebe und Erbarmen, ich traue dich mir an um den Brautpreis meiner Treue: Dann wirst du YHWH erkennen» (Hos 2,21–22). Die Freude, die in diesem Bild liegt, beschreibt Jesaja: «Wie der Bräutigam sich freut über die Braut, so freut sich dein Gott über dich» (Jes 62,5). Das Bild der Ehe zwischen Gott und Israel wurde in der Zeit ab dem zweiten Tempel immer weniger gebraucht. Neuer Bräutigam war die Weisheit (Weish 2,6) oder in den rabbinischen Texten die Tora. So war das Bild für das Christentum wieder offen und wird reich verwendet. Es drückt Freude aus und zeigt Beziehungsnähe, Bundestreue und Intimität.

Auch das Licht, das die Mädchen mit ihren Fackeln tragen, ist in der Bildsprache des Alten Testaments auf Gott und seine Weisung bezogen: «Denn von mir kommt die Weisung und mein Recht wird zum Licht der Völker» (Jes 51,4), am bekanntesten wohl im Psalm: «Dein Wort ist meinem Fuss eine Leuchte, ein Licht für meine Pfade» (Ps 119,105).

Die Szene, die Jesus uns malt, entspricht im Wesentlichen den damals üblichen Hochzeitsbräuchen. Hochzeiten dauerten lange, eine Woche (Gen 29,27; Ri 14,10–19) oder gar 14 Tage (Tob 8,20). Bei Simsons Hochzeit (Ri 14) wird vom Festgelage berichtet, auch dass die Zuführung der Braut zum Bräutigam ein eigener Akt erst am Ende der Festtage war. Mädchen, die in der Nacht einen Fackelzug machen, um in einer Prozession zwischen dem Haus des Bräutigams und der Braut diese einander zuzuführen, gehören zu den griechischen und römischen Hochzeitsritualen. So ziehen hier im Gleichnis die Mädchen (aus dem Haus der Braut) dem Bräutigam entgegen, begrüssen ihn, um dann im festlichen Lichterzug Braut und Bräutigam zum Fest- oder Brautgemach zu begleiten.

Nach der Einleitung (Mt 25,3–5), wo das Schlafen wie in anderen Gleichnissen andeutet, dass das Folgende der Kontrolle der Mädchen entzogen ist, beginnt mit der Zeitangabe «Mitten in der Nacht» (Mt 25,6) die Komplikation. Der Bräutigam wird angekündigt mit dem Weckruf aus dem Hohenlied: «Ihr Töchter Jerusalems, kommt heraus und schaut, ihr Töchter Zions, König Salomo mit der Krone! Damit hat ihn seine Mutter gekrönt am Tage seiner Hochzeit, an dem Tag seiner Herzensfreude» (Hld 3,11). Hörer/Hörerinnen sollen also nicht nur an eine gewöhnliche Hochzeit, sondern an einen herrschaftlich-königlichen Bräutigam denken. Aber ein Teil der Mädchen hat zu wenig Öl. Wie kommt das? Denkt man wie die üblichen Übersetzungen an Öllampen, dann ist das Öl wegen der langen Wartezeit in den Lampen ausgegangen, die Mädchen haben kein «zusätzliches» Öl dabei, waren also auf diese Eventualität der Verspätung des Bräutigams (der Verzögerung der Parusie) nicht vorbereitet.

Es ist aber – wie die antiken bildlichen Darstellungen zeigen – eher an Fackeln zu denken. Fackeln, die zum Leuchten oben ein kleines Gefäss haben, werden erst unmittelbar vor dem Gebrauch gefüllt. Das Öl wird zunächst separat gebracht. Das haben die dummen Mädchen vergessen. Ohne dieses mitgebrachte Öl scheitert der (fortdauernde) Versuch der Dummen, die Fackeln zu entzünden. Das lange Ausbleiben des Bräutigams (Mt 25,5) hätte also den Mädchen bei entsprechender Aufmerksamkeit genügend Zeit gegeben, Öl zu besorgen. Ihr Versäumnis wiegt so noch schwerer. Fackeln ohne Öl mitzunehmen ist – in der Sprache des Matthäus – so dumm, wie ein Haus auf Sand zu bauen. Es geht um das gute und richtige Vorbereitetsein auf den Normalfall.

Die Tragödie ist da, als der Bräutigam kommt. Die futurische Grundhaltung aus der Einleitung «Dann (in der Zukunft) wird es mit dem Himmelreich so sein» (Mt 25,1), das zukünftige Kommen des Menschensohns ist jetzt in der Vergangenheit: «Der Bräutigam kam» (Mt 25,10). Die Hörer/Hörerinnen werden so direkt mit einbezogen. Ihnen wird bewusst, dass auch ihre Zukunftsperspektive dann plötzlich in der Vergangenheit sein wird und die Vorbereitungszeit zu Ende.

Der Schluss wird wiederum eingeleitet durch eine Zeitangabe («später», Mt 25,11). Die geschlossene Tür zeigt: Das Leben ist eine Entscheidung, es gibt ein Draussen oder Drinnen, man kann nicht auf beiden Seiten sein. Kluges, das heisst aufmerksames, der Welt angemessenes Verhalten muss so rechtzeitig geschehen, dass man dann vorbereitet ist. Die Bezeichnung der klugen Mädchen wechselt in Vers 10 zu «die Vorbereiteten». Im Nachsatz des Gleichnisses (Mt 25,13) wird als Forderung an die Hörer/Hörerinnen zur Wachsamkeit gemahnt. Der babylonische Talmud (bShab 153a) formuliert das so: «Rabbi Eliezer sagt: Bekehr dich einen Tag vor deinem Tod. Da fragten seine Jünger den Rabbi: Weiss denn etwa ein Mensch, an welchem Tag er sterben wird? Da sagte er zu ihnen: umso mehr soll er heute Busse tun, vielleicht stirbt er morgen».

Mit Matthäus im Gespräch

Der Ruf zur Wachsamkeit mag ja gut sein, lieber Matthäus. Aber warum müssen die Dummen so behandelt werden? Hast du nicht gesehen, dass diese Klugen die anderen Mädchen schlecht behandeln, keine Solidarität und Hilfsbereitschaft zeigen. Ist das in deinem Sinn? Du selbst verlangst: «Wer dich bittet, dem gib, und wer von dir borgen will, den weise nicht ab» (Mt 5,42). Und dann hast du uns grosse Hoffnungen gemacht: «Bittet, dann wird euch gegeben; … klopft an, dann wird euch geöffnet» (Mt 7,7). Jetzt aber bitten die Dummen vergeblich, sie klopfen, und die Tür bleibt verschlossen. Warum das? Oder willst du, dass wir den Bräutigam anders sehen, ihn vergleichen mit den Heuchlern: «Weh euch, ihr Schriftgelehrten und Pharisäer, ihr Heuchler! Ihr verschliesst den Menschen das Himmelreich» (Mt 23,13). Was willst du uns also sagen? Dass das Christentum kompliziert ist, dass es da keine eindeutige Lösung gibt, was wir tun sollen, wo es Verzeihen und Erbarmen gibt und wann dann eine Entscheidung wirklich fällt?

Vielleicht, lieber Matthäus, erklärst du uns mit deiner Erzählung ganz einfach, dass wir unser Leben stets vorwärts leben sollen, das wachsame Vorbereitetsein nur die Ausrichtung an dieser Tatsache ist, wie der Psalm sagt: «Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden» (Ps 90,12).

 

Vgl. zur Auslegung dieses Gleichnisses Moisés Mayordomo: Kluge Mädchen kommen überall hin … (Von den zehn Jungfrauen), in: Ruben Zimmermann (Hrsg.): Kompendium der Gleichnisse Jesu. Gütersloh 2007, 488–503.