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Verherrlichung aus Liebe   

Andrea Moresino-Zipper zum Evangelium am 5. Sonntag der Osterzeit: Joh 13,31–33a.34–35 SKZ 15-16/2010

Liebe ist ein viel gebrauchtes Wort und wird doch nicht immer in derselben Dimension und Intensität verwendet. «[…] Liebt einander! Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben (Joh 13,34).»Jesus gibt diesen Auftrag seinen Jüngern. Es ist ein Gebot der bedingungslosen und dienenden Liebe zueinander. Einer Liebe, die den Einzelnen an seine Grenzen bringen kann und ihn möglicherweise bis zum Äussersten fordert. Wären wir zu einer solchen Liebe bereit und wem würden wir eine solche Liebe tatsächlich entgegenbringen?

«... was in den Schriften geschrieben steht»

Dieser Evangeliumstext stellt den Beginn der Abschiedsreden Jesu bei Johannes (Kap. 13–17) dar. Jesus spricht mit den Jüngern und gibt ihnen Anweisungen für jene Zeit, in der er nicht mehr bei ihnen sein wird. Der Höhepunkt dieser Rede ist in Joh 17 das Gebet Jesu. In 17,1 wird die Thematik aus 13,31–32 nochmals aufgegriffen: «[…] Verherrliche deinen Sohn, damit der Sohn dich verherrlicht.»Die wechselseitige Verherrlichung des Menschensohnes in Gott und die Gottes in seinem Sohn ist eines der zentralen Anliegen dieser Perikope. Jesus ist der Ort, an dem die Herrlichkeit Gottes sichtbar wird. Doch auch Gott ist der Ort, an dem die Herrlichkeit Jesu sichtbar wird. In Joh 17,9–10 bittet Jesus für die Seinen und spricht von der Verherrlichung in seinen Jüngern. Durch den Glauben der Jünger an Jesus wird seine Verherrlichung in ihnen möglich und diese Herrlichkeit kann sich auch allen Glaubenden öffnen.
Im Buch Exodus verhüllt sich die Herrlichkeit Gottes in einer Wolke (vgl. Ex 24,16; 40,34–35) und nur Mose wird von Gott in diese Herrlichkeit gerufen. Die Israeliten nehmen sie als verzehrendes Feuer wahr (vgl. Ex 24,17–8). Am Offenbarungszelt zeigt sich die Herrlichkeit des Herrn allen Anwesenden (vgl. Num 14,10) und im zweiten Lied vom Gottesknecht gibt Gott den Israeliten den Zuspruch, dass er an ihnen seine Herrlichkeit zeigen werde (vgl. Jes 49,3).
In dieser Perikope beginnt durch die Thematisierung der Verherrlichung die Passion und den Höhepunkt stellt das Kreuzesgeschehen dar. Jesus vollendet sein Werk auf Erden und darf in der finalen Stunde selbst die Herrlichkeit Gottes erwarten. So bereitet er mit V. 33 seine Jünger darauf vor, dass er bald nicht mehr bei ihnen sein wird und gebraucht die im Johannesevangelium einmalige, aber in antiker Zeit nicht ungewöhnliche Anrede «Kinder». Mit diesem Satz beginnt die direkte Ansprache Jesu an seine Jünger und sie endet erst in 16,33. Er spricht in Rätselform und bringt nicht klar zum Ausdruck, dass es sich bei seinem Weggang um seinen Tod handeln wird. Jesus sagt seinen Jüngern auch voraus, dass sie ihn suchen werden, aber ihm nicht folgen können. Für die Jünger ist dies unverständlich, da sie ihrem Lehrer doch anhangen. Verdeutlicht wird dieses Unverständnis durch die Frage des Simon Petrus, wohin Jesus gehen wird. In V. 36 relativiert nun Jesus seine vergleichbar strikte Aussage «[…], dorthin könnt ihr nicht gelangen», indem er Simon Petrus verspricht, dass er ihm jetzt nicht folgen kann, aber später wird dies möglich sein. Jesus weitet dieses Versprechen in 14,3 auf alle Jünger aus. Auch sie werden dann dort sein, wo Jesus ist. Bereits in 7,33–36 kündigt Jesus den Juden seinen Weggang an und verwendet die Formulierung, wie sie später in 13,36 vorkommt. Auch bei den Juden löst diese Aussage Unverständnis und Ratlosigkeit aus. In der Evangeliumslesung vom Sonntag wird der Versteil 33b–c ausgelassen, vielleicht, um einem Missverständnis auszuweichen. Doch in Kombination mit 7,37 wird deutlich, dass die Einladung Jesu auch an die Juden ergangen ist.
Wie in einem Testament üblich, gibt Jesus ihnen eine Anweisung für das Kommende, wenn er nicht mehr bei ihnen sein wird. Der Auftrag einander zu lieben, ist nicht wirklich neu (vgl. Lev 19,18 mit dem Auftrag zur Nächstenliebe), doch Jesus hat ihnen diese Liebe, wie er sie von seinen Jüngern verlangt, vorgelebt. «[…] Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben » (13,34). Das dazu gehörende Beispiel findet sich bereits in 13,14–15, wo Jesus seinen Jüngern die Füsse wäscht. Die Liebe zueinander wird das Erkennungszeichen der Jünger Jesu sein. Johannes hatte hier wahrscheinlich die kleine Gemeinde der Glaubenden im Blick und nicht die sich immer weiter entwickelnde Kirche. Doch so und mit der Aufforderung in 1 Joh 4,11 «[…] wenn Gott uns so geliebt hat, müssen auch wir einander lieben» bleibt die Liebe Jesu auf Erden präsent.

Mit Johannes im Gespräch

Im Vergleich zu den Synoptikern verwendet Johannes den Begriff der Herrlichkeit nicht nur verhältnismässig häufig, sondern auch, wenn er vom irdischen Jesus spricht. Dahinter verbirgt sich die Absicht des Evangelisten, Jesus bereits zu Lebzeiten als den Erhöhten darzustellen. Schon in 1,14 lesen wir «[…] und wir haben seine Herrlichkeit gesehen, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit.» Die Herrlichkeit Jesu ist jedoch nicht von aussen sichtbar – erst durch den Glauben wird sie erfahrbar und das Geheimnis der Person Jesu kann enthüllt werden.
Johannes verknüpft bereits an früherer Stelle die Verherrlichung Jesu mit der Thematik des Sterbens und des Todes. In 12,23 spricht Jesus: «Die Stunde ist gekommen, dass der Menschensohn verherrlicht wird.» Daran anschliessend folgt der Vers vom Weizenkorn, das sterben muss, um Frucht zu bringen (vgl. 12,24). Auch Jesus bringt durch seinen Tod den Jüngern und allen Glaubenden Frucht, denn aus Liebe hat Gott seinen Sohn für uns gegeben und ihn verherrlicht, damit alle, die an ihn glauben, das ewige Leben haben (vgl. 3,16).

Andrea Moresino-Zipper ist Doktorandin an der Theologischen Fakultät der Universität Freiburg und Mitglied des Zentralvorstands des Schweizerischen Katholischen Bibelwerkes.