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Weggang um des für-uns-Daseins Willen   

P. Peter Spichtig OP zur Präfation 1 zum Fest Christi Himmelfahrt SKZ 19/2009

Früher war es Brauch, nach dem Verlesen des Evangeliums am Fest Christi Himmelfahrt die Osterkerze zu löschen und wegzustellen. Die Liturgiereform hat diese Zeichenhandlung als weniger glücklich fallengelassen. Der Akzent des Festes Christi Himmelfahrt liegt gerade nicht in der Trennung von Christus und seiner Kirche, sondern im Ermöglichen einer gänzlich neuen Qualität von Einheit.

Das Fest Christi Himmelfahrt im Rückblick

Christi Himmelfahrt wurde in den ersten christlichen Generationen nicht als eigenes Fest begangen, sondern war selbstverständlich als ein Teilaspekt des Osterfestes zusammen mit der Geistsendung gefeiert worden, 50 Tage lang.
«Vierzig Tage hindurch ist er ihnen erschienen» heisst es nun aber in der Apostelgeschichte vom Auferstandenen (Apg 1,3). Wenn in der Bibel von 40 Tagen die Rede ist, handelt es sich immer um eine bedeutungsschwangere (Heils- oder Buss-)Zeit, die auf einen Abschluss hin zielt. Lukas mag mit der Zahl 40 auf die Intensität der nachösterlichen Christuspräsenz hingewiesen haben, die aber in eine andere, eine schwierige Zeit, jene der Kirche, hineinmünden musste. In die Mitte des vierten Jahrhunderts, die Zeit der Konsolidierung der Kirche als Staatsreligion, fällt die chronologische Ausfaltung der verschiedenen Aspekte des Pascha-Mysteriums: Die Geistsendung wird auf das jüdische Wochenfest
50 Tage nach Pessach datiert: Pentekoste. Die von Lukas genannte Zahl der 40 Tage erhält nun historisierenden Charakter. So wird das, was lange zusammen gedacht und gefeiert wurde, entfaltet und in der Folge zunehmend isoliert.

Liturgietheologische Neuprofilierung des Formulars

Die jüngste Neuordnung der Liturgie hat den österlichen Bogen wieder deutlicher bis nach Pfingsten hin gespannt: 7 x 7 + 1 Tage lang ¬feiern wir Ostern. Unter diesem theologischen Gesichtspunkt wurden auch die Gebetstexte des Festes Christi Himmelfahrt ¬revidiert. Zwar hatte das Fest eine eigene Präfation. Sie ist im Hauptbestandteil identisch mit der jetzigen zweiten Präfation und beschränkt sich darauf, in konziser Form nachzuzeichnen, was seit Ostern geschah.Nach seiner Auferstehung ist Christus «seinen Jüngern leibhaft erschienen; vor ihren Augen wurde er zum Himmel erhoben». Einzig der sich daran anschliessende Finalsatz enthält eine theologische Aussage, deren Anschluss jedoch unvermittelt und abstrakt daher kommt: «damit er uns Anteil gebe an seinem gött¬lichen Leben». Ähnlich sperrig war auch die Oration aufgebaut: «Allmächtiger Gott, sieh, wir glauben, dass Dein eingeborener Sohn, unser Erlöser, am heutigen Tage zum Himmel aufgefahren ist; darum bitten wir nun: Lass auch uns mit dem Geist im Himmel wohnen. Durch ihn» (Bomm).
Das neue Formular ist ungleich reichhaltiger an theologischer Aussage. Exemplarisch zeigt sich hier, welche Früchte die biblische, patristische und liturgische Bewegung mit ¬ihren Quellenforschungen gerade für die ¬liturgische Gebetssprache zeitigen können.
Mit der überschwänglichen Formulierung «Fac nos … sanctis exsultare gaudiis, et pia gratiarum actione laetari» hebt bereits die Oration zum Osterjubel an. Freilich kommt hier die deutsche Übersetzung nicht mehr mit und begnügt sich mit einem nüchternen «Erfülle uns mit Freude und Dankbarkeit». Als Begründung für diese ausgelassene Freude folgt nun eine Formulierung Leos des Grossen: «denn in der Himmelfahrt deines Sohnes hast du den Menschen erhöht». Mit der Bitte um Vertrauen in die auch uns verheissene ewige Herrlichkeit schliesst die Oration.

Die Präfation – verdichtete Danksagung: Eucharistia

Die neue Präfation, die im Messbuch der bisherigen vorangestellt ist, faltet diesen Gedanken aus. Wieder ist auf Leos zwei überlieferte Himmelfahrtspredigten, aber auch auf eine des Augustinus zurückgegriffen worden (vgl. Lesehore Jahr I vom Vortag, vom Festtag und vom Tag darauf). Die Väter greifen ihrerseits auf biblische Bezüge zurück, von denen über 20 Stellen angegeben werden können (erwähnt seien Eph 2,4–6; Kol 1,18; 1 Tim 2,5 und 3,14–16, aber auch Hebr). Ebenso sind mit sechs weiteren Präfationen gattungsspezifische Quellen überliefert. Dies alles ist eingeflossen in die Formulierung ¬unseres Textes.
Die Präfation unterstreicht die Erhöhung Jesu zur Rechten des Vaters als Grund der Eucharistia, der Danksagung: «Denn er ist heute als Sieger über Sünde und Tod aufgefahren in den Himmel. Die Engel schauen den Mittler zwischen Gott und den Menschen, den Richter der Welt, den Herrn der ganzen Schöpfung.» In der Himmelfahrt kommt somit das Bekenntnis zum Sohn Gottes zum Ausdruck, der den Weg der Erniedrigung gehorsam ging, im Kreuzestod von der liebenden Macht des Vaters bestätigt und zum wahren Leben erweckt wurde. Er und der Vater sind eins; sein Platz ist zur Rechten des Vaters. Durch Gottes Selbstentäusserung in ihm, dem Sohn, und durch seine Mission ist er legitimiert als Herr und Richter der ganzen Schöpfung.
Dieses Sein beim Vater ist aber nicht ihm ¬reserviert. In Christi Höllenfahrt und seinem österlichen Triumph hat er alle an sich ge¬zogen (Joh 12,32). Er will, dass alle eins sind mit dem Vater. Dies drückt der Fortgang der Präfation so aus: «Er kehrt zu dir heim, nicht um uns Menschen zu verlassen, er gibt den Gliedern seines Leibes die Hoffnung, ihm dorthin zu folgen, wohin er als erster vorausging.» Davon hat ja bereits die Oration gesprochen, wenn sie in der Himmelfahrt Jesu auch unsere Erhöhung sieht. Auch im paulinischen Bild des Leibes und seiner Glieder wird deutlich, dass es keine Trennung geben kann. Christus ist untrennbar mit seiner Kirche verbunden.

Österlich-pfingstliche Eschatologie: Himmelfahrt als Fest der Hoffnung

Mit dem Introitusvers «Viri Galilaei»: «Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr da und schaut zum Himmel?» ist ein hermeneutischer Akzent dieses Festes gesetzt, der in der 1. Lesung entfaltet wird: «… Dieser Jesus … wird ebenso wiederkommen, wie ihr ihn
habt zum Himmel hingehen sehen» (vgl. Apg 1,1–11). Die Zeit der Kirche, die Pfingstzeit – unsere Zeit – ist geprägt von der Spannung zwischen dem Schon der heilenden Gegenwart Christi im Geist mitten unter uns und dem Noch nicht der erwarteten Neuschöpfung. Der erhöhte Christus hat hier die Mittlerrolle («Mittler zwischen Gott und den Menschen»), er ist aber durch seinen für¬bittend erlittenen Opfertod auch der einzig glaubwürdige «Richter der Welt», ja der «Herr der ganzen Schöpfung».
Er wirkt jetzt schon «vom Himmel her» heilend für die ganze Welt durch seine sakramentale Präsenz im zeit- und ortsübergreifenden Hier und Jetzt. Somit ist Himmelfahrt als ¬Voraussetzung zu deuten, universell präsent zu sein und zu wirken. Die historisch-räumliche Gegenwart Jesu war darauf an¬gelegt, entgrenzt zu werden zu einer universa¬len Heilsgegenwartsweise. Dies wird gewirkt durch den Geist Gottes. Pfingsten gehört also engstens zum Verständnis von Himmelfahrt und zum Ostermysterium dazu.