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Gottes Einladung zum Völkermahl ergeht schon jetzt   

Ursula Rapp zur Lesung am 28. Sonntag im Jahreskreis SKZ 40-41/2008

Alttestamentliche Lesung: Jes 25,6–10a
Evangelium: Mt 22,1–14 oder 22,1–10

Endzeitliche Bilder, wie das vom Festmahl der Völker sind nicht nur fromme Wünsche. Als hoffnungsvolles Zukunftsbild leitet es das gegenwärtige Handeln, weil es ihm ein Ziel oder eine Ausrichtung gibt. Es ist also nicht egal, ob sich Menschen nach gutem Leben für alle Völker sehnen oder nur nach der Rettung ganz bestimmter.

Mit Israel lesen

Der Text der alttestamentlichen Lesung wird traditionell der so genannten «Jesaja-Apokalypse » zugeordnet, die die Kapitel Jes 24–27 umfasst. Es handelt sich dabei um eine Sammlung von endzeitlichen Bildern, die Rettung, aber auch Gericht und Zerstörung ankündigen. Die Bilder vom endzeitlichen Völkermahl sind nicht unbekannt und doch zeigt sich der Lesungstext als ein sehr pointiertes Gemälde.

Das Mahl auf dem Gottesberg verbindet zwei biblische Vorstellungen: Erstens die Hoffnung auf Gemeinschaft aller Völker mit Gott und zweitens das Mahl am Wohnort Gottes schlechthin. Berge waren in Alten Orient häufig Wohnorte von Gottheiten oder gehörten diesen und waren deshalb heilig. Viele Berge sind das auch heute noch.

Mose hat mit siebzig Ältesten Israels auf dem Gottesberg Sinai, dem Berg Gottes, ein Mahl zum Bundesschluss als inniger Gemeinschaft mit Gott gehalten (Ex 24,9–11). Diese Vorstellung des Gemeinschaftsmahles wird in Jes 25,6–9 auf alle Völker ausgeweitet.

So ein Mahl meint nicht einfach gutes Essen. Der Begriff «Mahl» (mischteh) steht in der hebräischen Bibel durchwegs für echte Gast- und Festmähler. Ein solches veranstaltet etwa Abraham zur Entwöhnung Isaaks (Gen 21,8) oder der Pharao zu seinem Geburtstag (Gen 40,20), genauso wie König Artaxerxes zur Demonstration seines Prunkes (Est 1,3). Eigenartig ist in Jesaja 25 nur die Mehrdeutigkeit dessen, was Gott zum Essen und zum Trinken reicht. Die Einheitsübersetzung macht das – wie die meisten anderen Übersetzungen – nicht deutlich, denn sie spricht von «feinsten Speisen» und einem «Gelage mit erlesenen Weinen». Tatsächlich erwähnt der Text aber zweimal ein «Festmahl» und nicht zuerst ein Festmahl und dann ein «Gelage». Das ist nicht unwichtig wegen unserer Assoziationen zu den deutschen Begriff en, denn von einem ausschweifenden Fest ist nicht die Rede. Wenn wir nun ansehen, was dargereicht wird, dann ist das zunächst wörtlich übersetzt einfach «Fettes, Aufbewahrtes, (noch einmal) Fettes, Markiges und aufbewahrtes Abgeseihtes». Ein einziger der Begriff e, mit denen die Verköstigung beschrieben wird, kann ein Ausdruck für ein Nahrungsmittel sein, nämlich das Fette, das fette Speisen und auch Öl meinen kann. «Aufbewahrtes » Essen gibt es nur am Hof Pharaos (Gen 42,35), sonst aber nicht und «Markiges» ist überhaupt kein Ausdruck für Nahrungsmittel. Der Begriff «markig» ist nämlich einmalig in dieser Bedeutung, denn ansonsten drückt er das Auslöschen von etwas aus, wie etwa gleich in Vers 8 das Abwischen der Tränen. Für Wein gibt es verschiedene Begriff e im Hebräischen, der in Jes 25,6 verwendete hat aber mit Getränken nichts zu tun und meint ansonsten «Geläutertes» (1 Chronik 28,18; 29,4; Psalm 12,7). Es drängt sich die Frage auf, was das eigentlich soll? Etwa ein Essen ohne richtige Speisen? Warum werden keine Speisen genannt? Eine Antwort könnte darin liegen, dass internationales Mahlhalten nicht so einfach war. Es gibt mehrere Texte in der hebräischen Bibel, die von der Essensverweigerung an fremden Höfen erzählen. Judit zum Beispiel isst bei Holofernes’ Gastmahl nur ihre selbst mitgebrachten Speisen (Judit 12,18–19), und Daniel lehnt die Verköstigung des persischen Königs ebenso ab (Dan 1,8). Essensvorstellungen haben etwas mit der eigenen Identität zu tun. Nur wo man sich nicht abgrenzen muss, kann auch gemeinsam gegessen werden. Wenn verschiedene, gar alle Völker, gemeinsam essen und trinken sollen, dann klappt das nur unter der Voraussetzung, dass man sich nicht voneinander abgrenzen muss, sondern dass man einander vertraut und sich gegenseitig akzeptiert.

Das unkonventionelle Menü drückt somit die Hoffnung aus, dass Völker nicht in Abgrenzung voneinander, sondern in gegenseitiger Achtung, eben wirklich auch in Vertrauen zueinander Mahl halten. In der nur vage angedeuteten Speisenfolge zeigt sich somit eine politische Hoffnung, die durch Gott realisiert wird: Die Völker werden miteinander essen können, weil sie einander nicht misstrauen.

Die Mahlgemeinschaft mit Gott ist ein Motiv, das in der jüdischen Literatur der Zeitenwende und der ersten Jahrhunderte danach häufig, später dann seltener, auftritt. Frühe jüdische Texte wie etwa die Syrische Baruchapokalypse erzählen von Hungernden, die die überaus vielen Früchte der Erde und des Weinstocks sowie das Manna geniessen werden (SyrBar 29,3–8). In diesen Mählern geht es immer um Mahlgemeinschaften: die Gemeinschaft derer, die sich zusammengehörig fühlen, die hungern nach Nahrung, Gerechtigkeit, Geborgenheit, die sich Gott zugehörig fühlen und sich gegen eine Aussenwelt der Gottlosigkeit und des Hungers abgrenzen. In Jes 25,6–8 sind es «alle Völker», die zu einer solchen Mahlgemeinschaft zusammenkommen.

Dabei ist das Bild selbst, das Essen, Trinken und Sattwerden bedeutsam, denn Essen und Trinken ist lebensnotwendig und erhält den Körper. Nahrung zu spenden ist göttliche Zuneigung zum menschlichen Körper. Auch wenn die Nahrung nicht aus konkreten Nahrungsmitteln besteht oder diese nur angedeutet werden, so ist es trotzdem ein Bild, das körperliches Wohlbefinden in die Sorge Gottes in die endzeitliche Rettung aufnimmt. Das Mahl am Tag Gottes wird die Menschen nicht mit schönen Worten nähren und ihnen erklären, dass ihre körperlichen Sehnsüchte nichtig sind. Im Gegenteil: Die körperliche und die seelische Nahrung wird Gott auftischen und man wird vielleicht gar nicht genau wissen, wie man sie unterscheiden soll.

Zu der Hoffnung auf das Festmahl für alle Völker gehört auch, wie diese Geladenen erscheinen. So malt Vers 7 aus, dass Gott Hülle und Decke der Völler verschlingen, d. h. vernichten, wird. «Verhüllt» sind Menschen aus Trauer, so wie David, der um seinen toten Sohn Absalom weint (2 Sam 19,5) oder aus Schrecken und Ehrfurcht wie Elijah, als der Engel vor seinem Höhlenversteck wartet (1 Kön 19,13). Die Hülle wegzunehmen bedeutet also, den Zustand von Trauer und Schrecken zu beenden. Angesichts der politischen Situation mag es sich hier um die Trauer und Schrecken der assyrischen Herrschaft über zahlreiche levantinische Völker handeln, zu denen ja auch Juda gehörte. Es gibt also eine historisch-politische Komponente, nämlich die Hoffnung auf das Ende der Fremdherrschaft und der Tribute und darauf, dass die Völker ihr wahres, menschenfreundliches Gesicht zeigen können, um miteinander bei Tisch zu sitzen.

Noch einmal verschlingt Gott, um seine Mahlgemeinschaft zu retten. Diesmal ist es der Tod, der vernichtet wird und mit ihm Tränen und Schande Israels (Vers 8). In dem Jubel, der diesem Rettungshandeln folgt, wird zweimal das Hoff en und zweimal das Retten erwähnt. Diese Hoffnung ist umfassend: körperlich, weil Gott zum Mahl lädt, politisch, weil der Schrecken der Völker verschlungen wird und seelisch, weil Tränen abgewischt und gejubelt werden wird.

Mit der Kirche lesen

Das Evangelium vom königlichen Hochzeitsmahl deutet das Fest auf die Gegenwart hin: es geht darum, der Einladung des Königs, Gottes jetzt schon zu folgen und zwar nicht als Norm, sondern zu verstehen, dass das Mahl entweder jetzt stattfindet oder gar nicht. Die Einladung zum Frieden ergeht jetzt und ihr kann jetzt gefolgt werden und dann kann sich auch jetzt etwas zum Guten verändern.