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Wort und Antwort: Segen Gottes und Dank des Menschen   

Peter Spichtig zum Antwortpsalm (67) am 6. Ostersonntag SKZ 18/2007

Not lehre beten, heisst es. Aber auch die Dankbarkeit teilt sich mit, braucht einen Adressaten. Mit wem sich freuen, wem danken für all das unverdient Gute, Schöne, wenn keiner da ist?

Der Psalm 67 bringt dies ins Lied: den universalen Segen Gottes, der über allem liegt; unsere geschuldete Antwort des Dankes, der letztlich doch wieder uns Menschen zugutekommt; das Richten des einen Gottes, indem er auf-richtet.

Hymnisches Segenslied
Die äusseren Verspaare (V. 2–3 und 7–8) rahmen mit ihrer wiederholten Bitte um Gottes Segen den Psalm thematisch ein. Schon hier zeigt sich die generöse Perspektive der universellen Ausweitung dieses Wunsches! Der Weg Gottes und sein Heil sollen auf der ganzen Welt erkannt werden (V. 3). Das oszillierende Hin und Her zwischen der Binnen- («uns») und der universellen Perspektive («alle») durchzieht vom ersten Verspaar an den ganzen Psalm, um sich am Schluss auf die ganze Welt hin zu öffnen.

Ein innerer Rahmen (V. 4 und 6) weist unmissverständlich auf die liturgische Verortung des Psalms als responsorialer Gesang hin. Im Refrain drückt die singende Gemeinde in hymnischer Weise ihre Dankbarkeit aus. Indem sie sich direkt an Gott richtet, in den Dank jedoch den Wunsch einschliesst, dass doch alle Völker in diesen einstimmen möchten, ist das missionarische Anliegen des Psalmdichters bestätigt. Nicht genug damit, dass der Refrain zwei Mal gesungen wird, ist die Emphase auf diesen Wunsch noch dadurch vergrössert, dass er in sich eine Wiederholung darstellt. Umgedreht und umso insistierender alle intendierend fordert er: «Die Völker sollen dir danken, o Gott, danken sollen dir die Völker alle» (= KG 618!).

Im Kern des Psalms (V. 5) findet dieser Wunsch einen konkreten Rückhalt in der Erfahrung. Grund für die Dankbarkeit gegenüber Gott ist die Erfahrung vom gerechten Regieren und Richten des Gottes Israels, des Einen.

Die Tora im Dialog mit den Propheten
Aufhorchen lässt den gelegentlichen Bibelleser oder Zuhörer im Gottesdienst bereits der erste eigentliche Psalmvers (2). Die Nähe zum aaronitischen Segen (Num 6,24– 26) ist evident. Der Psalmist zitiert aber nicht einfach, sondern übernimmt drei der sechs Elemente, die den bekannten Tora- Text ausmachen und stellt sie um. Das Handeln Gottes ist mit den drei Verben «gnädig sein», «segnen» und «das Angesicht leuchten lassen» programmatisch an den Anfang gestellt. Dieses Handeln versteht sich aber nicht als einmalig, gleichsam punktuell. Im Unterschied etwa zu anderen Psalmen, wo das rettende Eingreifen Gottes erfleht und/ oder gepriesen wird, ist mit «segnen» das fortwährende aktive Handeln gemeint, welches alles Sein erst ermöglicht und erhält. Zudem richtet sich diese Segensgunst nicht einseitig an Israel. Der Psalmist weitet den in Numeri noch israelzentriert verstandenen Segen hier bewusst zu universaler Dimension aus.

Erstaunlich ist zudem der zentrale V. 5.Weshalb die Nationen sich freuen sollen, wird damit begründet, dass Gott den ganzen Erdkreis gerecht richte und regiere. Dies setzt aber die entsprechende Erfahrung von friedlichem Zueinander der Völker voraus. Wie sonst könnte der Psalmist den regierenden und also verantwortlichen Gott rühmen, wenn seine Zeit sich anders darstellte und die benachbarten Völker miteinander im Streit lägen? Dies hat Anlass zur Annahme gegeben, die Entstehung des Psalms in eine solche Zeit relativen Friedens in der ganzen näheren Umgebung zu situieren. In diesem Kontext (vielleicht unter Dareios I. zwischen 522 und 486) fasst der Psalmist nun den Glauben an den einen Gott Israels unter Einfluss der Prophetenschriften (v. a. Jes 42,1–4; 51,4 f. und vor allem Mi 4,1–5) in den kühnen Gedanken der segnenden Allherrschaft Gottes: Dieser Gott unserer Väter, der Gott Abrahams und Aarons, ist der Gott und Richter der ganzen Welt. Wo Völker miteinander im Frieden leben, ist dies auf sein segnendes Handeln zurückzuführen.

Einschränkung auf Partikulares oder Ausgangspunkt für Universelles?

V. 7a gibt gegen Schluss erst einen ganz konkreten Sitz im Leben dieses Psalmliedes an: «Das Land gab seinen Ertrag.» Dies legt die Vermutung der ursprünglich kultischen Verwendung unseres Psalms als Erntedanklied im Jerusalemer Tempel nahe. Die Nennung dieses konkreten Anlasses nach dem zuvor gross Herausgestellten macht deutlich, dass die partikuläre Erfahrung von Segen und Heil Gottes den Beter einlädt, seine Dankbarkeit und Freude, aber auch seine Hoffnung auf eine ähnliche «Lichterfahrung» (vgl. V. 3) zu teilen und allen Menschen zu wünschen. Gerade die weltweit analog mögliche Erfahrung der «Frucht der Erde und der menschlichen Arbeit» ist somit ein universeller Ansatzpunkt für den Glauben an den einen Schöpfergott, der alles im Sein hält. Die konkrete Erfahrung von «Ertrag» ist Anlass zur Dankbarkeit und Freude, aber auch Anknüpfungspunkt der Hoffnung: dass der Ertrag allen zukomme durch Seinen Segen.

Das eine Wort Gottes als offene Antwort auf ein anderes
Die Auswahl des Psalms 67 für den Wortgottesdienst des 6. Ostersonntags ist schlüssig. Die voraus gelesene Erste Lesung bezeugt den schwierigen Moment des Aufbruchs der jungen Kirche auch zu den Heiden. Die auf dem Apostelkonzil erörterten Fragen nach der rechten Gesetzestreue der Heidenchristen finden im Psalm 67 eine Art bestätigende hymnische Hermeneutik: die Tora ist nicht aufgehoben (V. 2). Sie wird bereits im Dialog mit den Propheten und der ganzen weisheitlichen Tradition Israels neu situiert. Der Psalmenbeter Jesus seinerseits bezeugt und bekräftigt die universale Sendung des Gottes Israels für alle Völker. Der Tempel ist obsolet geworden, «Gott, der Herrscher über die ganze Schöpfung, ist ihr Tempel, er und das Lamm» weiss die zweite Lesung. Es ist der Herr, der Sohn des Vaters, der uns wirkmächtig den wahren Frieden zusagt, den die Welt braucht, ihn sich aber nicht selber zu geben vermag (Ev.).

Ein «Schweizerpsalm»?

Ist nicht unsere hiesige lange Erfahrung von befriedeter Nachbarschaft Grund zur Freude und Dankbarkeit? Nationalstolz kann damit gerade nicht gemeint sein, sondern staunende Dankbarkeit darüber, dass Gott – trotz allem! – sein Angesicht über uns leuchten lässt, dass sich seine segnende Gnade, erfleht durch die Gebete unserer Ahnen und Zeitgenossen, im dialogischen, respektvollen Miteinander niedergeschlagen haben. Dann gilt aber auch die daraus resultierende Verpflichtung zum Teilen dieser Gnade: «damit auf Erden sein Weg erkannt wird und unter den Völkern sein Heil». Wenn Liturgie dialogisches Geschehen, lebendigmachendes Wort Gottes und authentische Antwort des Menschen ist, wie das in Ps 67 so schön vorgestaltet ist, wie kann ich also diese Worte füllen? Der missionarische Imperativ gilt uns. Heilsneid ist nicht jüdisch noch christlich. Das weiss jeder, der Ps 67 gebetet hat.

P. Peter Spichtig OP, lic. theol., ist Leiter des Liturgischen Instituts der deutschsprachigen Schweiz in Freiburg.