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Trotz Wermutstropfen ein Meilenstein   

Dieter Bauer zur Neuen Zürcher Bibel forum 2/2008

Die neue Zürcher Bibel löst die renommierte Ausgabe von 1931 ab. Dieter Bauer, Leiter der Bibelpastoralen Arbeitsstelle des Schweizerischen Katholischen Bibelwerks, nimmt sie unter die Lupe.
Wenn über 100 Personen über zwanzig Jahre lang an einem Projekt arbeiten, dann darf man erwarten, dass etwas Gescheites dabei herauskommt – ganz abgesehen von den 4 Millionen Franken, die das Ganze gekostet hat. Doch: Es hat sich gelohnt. Die neue Zürcher Bibel ist ein grosser Wurf. Wenn ich also im Folgenden – aus manchmal einseitig katholischer Perspektive – auch Kritisches dazu anmerke, dann soll das diesem Gesamteindruck keinen Abbruch tun.

NOCH IMMER ETWAS «ALTVÄTERLICH»
Wie die Vorgängerausgabe zeichnet sich auch diese Übersetzung durch philologische Texttreue aus. Aber sie ist natürlich reformierter Zürcher Tradition verpflichtet, was bedeutet, dass oftmals der nur Insidern vertraute Klang wichtiger ist als die Verständlichkeit für heutige Hörerinnen und Leser. So wird man doch immer wieder auf «altväterliche» Formulierungen stossen, die auf katholischer Seite bereits die Einheitsübersetzung von 1980 hinter sich gelassen hatte. Was soll man zum Beispiel von der Einleitung in den Traumbericht Nebukadnezzars halten, der im vierten Kapitel des Danielbuches folgendermassen übersetzt ist: «Und die Schauungen in meinem Kopf, die ich auf meinem Lager hatte: Ich schaute, und sieh, …»? Es ist klar: Da wird Wort für Wort übertragen. Aber gibt es dafür nicht bereits andere gute Bibelübersetzungen wie die «Elberfelder Bibel»? Geht es nicht vielmehr darum, den heutigen Hörerinnen und Hörern im Gottesdienst das Verständnis zu erleichtern?
Oder: In der neuen Zürcher Bibel sollte man sein Licht noch immer nicht unter den heute erklärungsbedürftigen «Scheffel» stellen (Mt 5,15), und Ijobs Söhne «pflegen Gastmähler zu halten» (Ijob 1,4), auch wenn das heute so nun wirklich niemand mehr sagt.
Trotzdem muss man anerkennen, dass der Transfer in die heutige Zeit meist gelungen ist. Die Übersetzer haben sich bemüht, bei aller Detailgenauigkeit den Duktus antiker Weltliteratur zu respektieren und wollten ihn nicht mit Gewalt «verheutigen».
Schade finde ich allerdings – bei aller Freude über die gelungene Übersetzung –, dass man auf die Ökumene so wenig Rücksicht genommen hat. Was nämlich (nicht nur einem Katholiken) heutzutage sauer aufstösst, ist die Tatsache, dass man sich eine konfessionelle Bibelausgabe geleistet hat, bei der viele Schriften aufgrund des engen reformierten Kanons einfach fehlen. Das ist höchst unzeitgemäss. Wenn man zum Beispiel weiss, dass eine Hymne protestantischer Bibelfrömmigkeit wie «Nun danket alle Gott» die Vertonung eines Textes aus dem Buch Jesus Sirach ist (Sir 50,22f in der Lutherübersetzung), der zur Zeit der Reformation höchst beliebt war, dann merkt man, dass hier wohl an der falschen Stelle gespart wurde. Man verzichtet unnötigerweise auf den ganzen katholischen Markt, für den eine solche «Bibel light» ohne Jesus Sirach, das Buch Judit oder das Buch der Weisheit natürlich völlig inakzeptabel ist.

FRAUENGERECHT?
Was ebenfalls schade ist – oder sollte man da als im Glashaus sitzender Katholik lieber doch nicht mit Steinen schmeissen? – ist die eher halbherzige Anerkennung der Anliegen der Frauen. Paulus schreibt zwar inzwischen an die «Brüder und Schwestern», und in der Bergpredigt werden die «Söhne und Töchter Gottes» angeredet, aber der Gottesname wird halt immer noch mit «HERR» wiedergegeben, obwohl da vielen Frauen die Haare zu Berge stehen. Da hilft auch der Hinweis auf den jüdischen Sprachgebrauch («Adonaj») nichts. Gott ist nun einmal nicht männlich. Dafür steht Hosea 11,9: «Denn Gott bin ich und kein Mann.» Die neue Zürcher Bibel verharmlost:«Denn ich bin Gott und nicht irgendwer.» Auch da hätte es bessere Lösungen für die Übersetzung gegeben. Dass Gott nicht weiblich sei, steht übrigens (im Gegensatz zu Hos 11,9) nirgendwo in der Bibel!

AUSMERZUNG VON FEHLERN
Höchste Zeit war es für die Ausmerzung von Übersetzungsfehler, die sich beispielsweise in der Einheitsübersetzung noch immer finden: Dass Judas Jesus «verraten» hat, steht nur ein einziges Mal im Neuen Testament (Lk 6,16). Trotzdem ist er als «Verräter» in das Bewusstsein der Menschen eingegangen. In den Passionsgeschichten wird für das, was Judas getan hat, 24-mal der offenere Begriff «ausliefern» gebraucht. Dies ist in der neuen Zürcher Bibel nun auch für alle sichtbar gemacht. Auch der «angesehene Apostel» Junias hat endlich sein weibliches Geschlecht zurück erhalten: Sie heisst jetzt korrekt Junia, auch wenn das in der männlichen Pluralformulierung von den «Aposteln» gleich wieder versteckt wird (Röm 16,7).

EINE WICHTIGE ÜBERSETZUNG
Die neue Zürcher Bibel ist trotzdem ein Meilenstein in der Geschichte der Bibelübersetzungen.
Als Mitspielerin im Konzert mit all den anderen Bibelübersetzungen, die in den letzten Jahren auf den Markt gekommen sind, hat sie einen wichtigen Part inne. Sie bietet mit ihren Einführungen in die biblischen Bücher und dem Glossar einen guten Überblick zum Stand heutiger exegetischer Forschung, auch wenn ich mich manchmal gefragt habe, wie verständlich diese Texte für ein breiteres Publikum wirklich sind. Und auch wenn man sich als Katholik nicht gerade über den sehr einseitigen Artikel zum «Abendmahl» freuen dürfte, so erweist sich doch gerade das umfangreiche Glossar immer wieder als eine regelrechte Fundgrube.