Wir beraten

Wo Schatten ist, da ist auch Licht!   

Dieter Bauer zur Lesung am Erscheinungsfest SKZ 51-52/2007

Alttestamentliche Lesung: Jes 60,1–6
Evangelium: Mt 2,1–12

Beim «Erscheinungsfest» (griechisch: Epiphanias) geht es um das Erscheinen Gottes in dieser Welt. Das ursprünglich heidnische Fest hatte noch das «Erscheinen» des vergöttlichten römischen Kaisers gefeiert. Dem setzten die Christen das Christusereignis entgegen: Für sie ist er das Licht der Welt (Joh 8,12 u. ö.). Seit jeher jedoch war das Einbrechen des Göttlichen in die menschliche Welt als ein Lichtereignis beschrieben worden. Und je dunkler die Zeiten waren, desto grösser war die Hoffnung auf dieses Licht.

Mit Israel lesen

Die Zeiten waren nämlich dunkel im Jerusalem des 5. Jhdts. v. Chr., als unser Lesungstext aufgeschrieben wurde. Und dabei hatte alles so wunderbar angefangen. Kaum 50 Jahre nach der Verschleppung der «oberen Zehntausend» ins Exil hatte es einen Machtwechsel im Vorderen Orient gegeben. Die Perser hatten die Babylonier abgelöst und ihr Grossreich errichtet. Eine der Konsequenzen für die Verschleppten in Babylonien war die Möglichkeit der Rückkehr nach Jerusalem gewesen, die die Perser ihnen gewährten. Und die Hoffnungen – geschürt durch Propheten wie den «zweiten Jesaja» (Jes 40 ff .) – waren gross gewesen:

Eine Stimme ruft: /
Bahnt für den Herrn einen Weg durch die Wüste!
Baut in der Steppe eine ebene Strasse /
für unseren Gott!
Jedes Tal soll sich heben, /
jeder Berg und Hügel sich senken.
Was krumm ist, soll gerade werden, /
und was hüglig ist, werde eben.
Dann offenbart sich die Herrlichkeit des Herrn, /
alle Sterblichen werden sie sehen. /
Ja, der Mund des Herrn hat gesprochen.
(Jes 40,3–5)

Tatsächlich waren viele der Verschleppten in mehreren Rückkehrerschüben aus dem Exil in ihre alte Heimat zurückgekehrt. Doch sie wurden bitter enttäuscht. Von der «Herrlichkeit des Herrn» war weit und breit nichts zu sehen: Zum einen kamen sie ja nicht in ein entvölkertes Land zurück, sondern die alten Besitzverhältnisse waren inzwischen neu geregelt worden. Wie immer, so hatte es auch hier «Kriegsgewinnler» gegeben, die sich das zurückgelassene Gut «unter den Nagel gerissen» hatten. Und die waren natürlich nicht davon angetan, wenn jetzt jemand mit der Behauptung kam, die älteren Rechte zu haben. Hinzu kam, dass es mit der Wiederherstellung des zerstörten Jerusalem einfach nicht vorwärts ging. Viele hatten, anknüpfend an die Tatsache, dass der neue Statthalter Serubbabel aus dem Haus Davids war (1 Chr 3,19), auf eine Wiedererrichtung des davidischen Königtums gehofft. Und als es auf Initiative Serubbabels tatsächlich zum Tempelbau kam, gab das diesen Hoffnungen zusätzlichen Auftrieb. Die Propheten Haggai und Sacharja z. B. waren ganz begeistert von dieser Aussicht. Wahrscheinlich aber wurde Serubbabel genau deshalb wieder nach Babylonien abberufen – jedenfalls verschwindet er schon vor 515 v. Chr. spurlos und ist bei der feierlichen Einweihung des Tempels nicht mehr dabei. Und der «zweite Tempel» war dann auch noch in keiner Weise mit dem früheren «salomonischen» Tempel an Pracht zu vergleichen. Diejenigen jedenfalls, die den alten Tempel noch gekannt hatten, weinten bei der Grundsteinlegung des neuen, weil er im Vergleich so «mickrig» wirkte (Esra 3,12 f.). Die Zeiten waren also dunkel in Jerusalem («siehe, Finsternis bedeckt die Erde und Dunkel die Völker»; Jes 60,2). Und doch: Die Autoren des heutigen Lesungstextes – die Exegese nennt sie Tritojesaja (Jes 56–66; vgl. SKZ 51–52/2006, 857) – halten nichts davon, sich in einer solchen Situation an die alten «Rezepte» zu klammern. Sie wollen weder eine klerikale «Restauration» (für sie ist der Tempel ein «Haus des Gebetes für alle Völker»; Jes 56,1– 8; vgl. Mk 11,17), noch halten sie etwas von der Wiedereinführung der Monarchie. Gott allein soll herrschen. Seine Gegenwart ist eine «lichtvolle», seine «Herrlichkeit» geht «leuchtend auf» (Jes 60,1; s. o. Jes 40,5):

Auf, werde licht denn es kommt dein Licht /
und die Herrlichkeit des Herrn geht leuchtend auf über dir.

Und obwohl die Zeiten so dunkel waren und man Angst haben muss, dass dieses Dunkel Angst macht und die Menschen engherzig, können sich die Tritojesajas – wahrscheinlich verbirgt sich hinter unserem Text eher eine Gruppe als ein Einzelprophet – weitherzig eine Wallfahrt aller Völker nach Jerusalem vorstellen:

Völker wandern zu deinem Licht /
und Könige zu deinem strahlenden Glanz.
Blick auf und schau umher: /
Sie alle versammeln sich und kommen zu dir.
Deine Söhne kommen von fern, /
deine Töchter trägt man auf den Armen herbei.
Du wirst es sehen und du wirst strahlen, /
dein Herz bebt vor Freude und öffnet sich weit.
(Jes 60,2–5)

Das ist so unglaublich, dass man es kaum begreifen mag! Man muss sich vorstellen, dass davon weit und breit nichts zu sehen war! Und die ganze gesellschaftliche und religiöse Entwicklung verlief in eine ganz andere Richtung, nämlich Stärkung der eigenen Identität durch Abgrenzung von den anderen Völkern, indem z. B. Mischehen nicht nur verboten, sondern einfach aufgelöst wurden (Esra 10,9 ff .; Neh 10; 13). Restauration und ängstliches Klammern an die Tradition war angesagt. Fast möchte man an manche heutige Kriese in unserer Kirche denken. Und da entwickeln diese prophetischen Stimmen eine Vision:

Der Reichtum des Meeres strömt dir zu, /
die Schätze der Völker kommen zu dir.
Zahllose Kamele bedecken dein Land, /
Dromedare aus Midian und Efa.
Alle kommen von Saba, /
bringen Weihrauch und Gold /
und verkünden die ruhmreichen Taten des Herrn.
(Jes 60,5 f.).

Jerusalem wird so einladend, dass alle gerne kommen! Und noch etwas mitbringen! Nicht Abgrenzung also, sondern weites Aufreissen der Türen und Fenster!

Mit der Kirche lesen

Als Matthäus sein Evangelium schrieb, hatte er eine ähnliche Vision. Sie nährte sich bereits aus der Erfahrung, dass das Christentum da erfolgreich war, wo es auf die Menschen so off en zuging, wie es auch Jesus von Nazaret getan hatte.

Er hatte aber auch die andere Erfahrung gemacht: dass Menschen sich diesem Heilsangebot Gottes verschliessen. Die Geschichte, die er dazu erzählt, ist die von (persischen!) Magiern aus dem Osten, die das neue Licht sehen und ihm folgen. Sie sind «Lichtkundige» ohne Juden oder Christen zu sein. Ihre Wissenschaft ist die Astrologie. Doch sie sind sensibel für das Neue, sehen es, obwohl alle anderen – inklusive König von Jerusalem und «Hohepriester und Schriftgelehrte» (Mt 2,3 ff .) – dafür blind sind. Matthäus möchte damit zeigen, dass weder Nationalität, noch Religionszugehörigkeit über die Dinge entscheiden, die wirklich wichtig sind im Leben: die Sensibilität für das Wirken Gottes in der Welt – sei es in den Sternen, sei es in dem kleinen Kind aus ärmlichen Verhältnissen, vor dem diese Weisen niederzuknien vermögen.