Wir beraten

Maria liest und Josef trägt das Kind   

Peter Zürn zum Ersten Schweizer Vätertag am 17. Juni 2007

Horizonte 23/2007

Vermutlich löst das Bild im Buch «maria liest. das heilige fest der geburt» (Christel Göttert Verlag) Erstaunen aus. Zuerst durch die Gestalt der Maria, die tief in ein Buch versunken auf einem Esel reitet. Sie dreht ihrem Mann und ihrem Kind den Rücken zu. Um die beiden braucht sie sich im Moment offensichtlich nicht zu kümmern.

Auch Josef überrascht. Nicht dadurch, dass er vorausgeht und den Esel am Zügel führt. Aber dadurch, dass er dabei das Kind im Arm hält. Aufmerksam und liebevoll ruht sein Blick auf dem Kind. Er hat schützend seinen Mantel um es gelegt. Er sorgt auf dieser Reise für das Kind, wie er auch für sich als Wanderer sorgt. Betet Josef? Wenn beten Achtsamkeit für das Leben bedeutet, wenn es Ausdruck der Dankbarkeit für das Geschenk des Lebens ist und der Freude über neue Lebensmöglichkeiten – ja, dann betet er. Josef ist im Anblick des Kindes genauso versunken wie seine Frau im Buch. Geht er wirklich voraus? Folgt er nicht eher seinem Kind ins neue Leben? Er trägt es und begleitet es auf seinen ersten Wegen, die nicht einfach sind, weder damals noch heute.

Auch das Alter des Bildes löst Erstaunen aus. Offensichtlich gab es vor 500 Jahren solche Bilder von Männern, Frauen und Familien: Er sorgt für das Kind, sie richtet den Blick durch das Buch hinaus in die Welt. Wer liest, erschliesst sich die Welt. Wer liest, liest von Lebenserfahrungen anderer Menschen und wie sie diese Erfahrungen deuten. Keine Geschichte, kein Lebensweg fängt bei Null an. Immer geht etwas voraus. Wir haben Vorfahrinnen und Vorfahren, die uns ihre Erfahrungen überliefern und die bezeugen, was sich in ihrem Leben bewährt hat. Mit ihnen verbunden zu sein, kann sich als sehr fruchtbar für die eigenen Wege erweisen.

Aus dem Bild und dem Erstaunen, das es auslöst, lese ich heraus, dass eine starre Aufteilung von Geschlechterrollen bei der Suche nach dem eigenen Lebensweg, nicht sinnvoll ist. Frauen und Männer brauchen Zeit für Kinder und für Bücher, brauchen Blickkontakt mit neuem Leben und Zugang zur Welt. Damit sind wir ganz nahe beim Ersten Schweizer Vätertag am 17. Juni 2007. Der Dachverband der Schweizer Männer- und Väterorganisationen, männer.ch, ruft dazu auf und will damit «eine respekt- und lustvolle Auseinandersetzung mit dem Vatersein in einer Zeit ´anstossen´, in der sich die traditionellen Rollenmodelle auflösen und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie mehr und mehr auch zum Männerproblem wird. Damit wird nicht nur der einzelne Vater als Privatmann, sondern das Vatersein als gesellschaftliche Herausforderung zum Thema» (www.vaetertag.ch).

Auch die Kirchen beteiligen sich am Vätertag. Andreas Borter, Verantwortlicher für den kirchlichen Beitrag, formuliert: «Der nun jährlich stattfindende Vätertag kann eine gute Gelegenheit sein, die Väterthematik als festen Bestandteil in das Kirchliche Denken und Handeln zu integrieren... So kann die Vernetzung mit anderen Väterinitiativen erfolgen und ein kirchlicher Beitrag in einem grösseren Rahmen gestellt werden.»

Peter Zürn

Erster Vätertag am 17. Juni 2007

Unter Mithilfe zahlreicher Seelsorger wurden für den ersten Vätertag Bausteine für die Arbeit mit Vätern im kirchlichen Kontext erstellt, darunter Entwürfe für Gottesdienste, Meditationen, Rituale drinnen und draussen, Gesprächskreise, sowie eine Sammlung einzelner Gebete und Lieder. Auch das Bild von der Flucht nach Ägypten spielt darin eine Rolle. Die Bausteine sind zugänglich unter www.ref-ag.ch/bildung_theologie/frauen_maenner_gender/vaetertag.php. Die Fachstelle Erwachsenenbildung der Katholischen Kirche im Aargau wird sich in diesem und in den kommenden Jahren für die Anliegen des Vätertages engagieren. Kontaktperson ist Bernhard Lindner, Telefon 062 871 51 17, bernhard.lindner@ag.kath.ch