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Mit spielerischer Leichtigkeit und Heiterkeit   

Rita Bahn zur alttestamentlichen Lesung am Dreifaltigkeitssonntag SKZ 21-22/2007

Alttestamentliche Lesung: Spr 8,22–31
Evangelium: Joh 16,12–15

Der Dreifaltigkeitssonntag scheint ein ernstes, schwieriges Fest zu sein. Ein herausforderndes Fest ist er allemal.

Wer versteht schon die Dreifaltigkeit?! Aber: Müssen wir sie denn verstehen? Und müssen wir uns auf eine ganz bestimmte Vorstellung festlegen?

Vielleicht ist die Aufgabe, die uns dieser Sonntag stellt, eine andere: Wir sind aufgefordert, einerseits das Geheimnis und die Grösse Gottes als solche anzuerkennen und zu akzeptieren und andererseits doch auch zu fragen, zu forschen und zu entdecken, wer dieser Gott ist, was zu ihm gehört – wer und was er für uns ist! Denn in dem nicht be-greif-baren, nicht fass-baren Geheimnis der Dreifaltigkeit, mit dem so grundlegend Wichtiges über unseren Glauben ausgesagt wird, geht es um Gott in seiner Fülle, unendlich weiträumig in sich, unendlich aufgeschlossen und beziehungsreich für uns.

Die heutige alttestamentliche Lesung kann uns auf der Suche nach Facetten Gottes auf die Sprünge helfen und anregen.

Mit Israel lesen

Das in nachexilischer Zeit komponierte Buch der Sprüche stellt die Weisheit personifiziert als Frau und grosse Lehrende vor: Sie tritt auf öffentlichen Plätzen auf (1,20f.) und setzt sich für Gerechtigkeit ein (8,13.20). Sie berät Könige (8,15f.) und bittet in ihr Haus zu einem Gastmahl, bei dem sie Unwissende lehren will (9,2 f.). Für die Menschen ist sie so zugänglich wie eine Freundin oder Schwester (7,4; 8,4), obwohl sie zugleich eine ganz einzigartige Würde und Autorität daraus bezieht, dass sie – wie unser Text sagt – der Erstling der Schöpfung ist.

So ist die Weisheit einerseits Geschöpf und steht doch andererseits durch ihre Präexistenz und ihre Anwesenheit beim Schöpfungswerk in einer Verbindung zu Jahwe, wie man sie sich enger nicht vorstellen kann. Auch hat Jahwe sie ganz so hervorgebracht wie eine Mutter ihr Kind: Die Weisheit wurde im Mutterleib gewoben und unter Kreissen geboren. (In der Einheitsübersetzung heisst es lediglich «gebildet» und «geboren».) Sie spielt vor «ihm» wie ein Kind bei seiner Mutter. Diese innig-familiäre Schilderung von Zusammengehörigkeit scheint die schillernde Grösse «Weisheit» Jahwe nicht unter-, sondern vielmehr zuzuordnen. Wie Menschenkinder von ihren Eltern in ihrer Eigenart respektiert und gefördert werden, so geschieht es auch mit der Weisheit. Sie ist Jahwe ein geliebtes Gegenüber und gewinnt als solches grösstmöglichen Einblick in die Schöpfung und Wissen um die Ordnungen des Kosmos und der Menschen.

Nach der langen hymnischen Einleitung ruft die Kernaussage des Textes in den letzten beiden Versen in knappen Worten eine gelöste, heitere, friedvolle Atmosphäre hervor, die das Motiv der innigen Verbundenheit weiterführt: Die Weisheit bezeichnet sich als Freude, Wonne, Entzücken per se (und nicht nur für Jahwe). Spielend begleitet sie sein Werk und mag es durch ihr Spiel auch inspirieren.

So erfahren wir auf anschauliche Weise: Der Anfang unserer Welt war gut. Sie ist lustvoll im Rahmen von Beziehung entstanden. Da gibt es nichts Verbissenes, Verkrampftes, Angespanntes und Angestrengtes, sondern Leichtigkeit und Freude, Spielerisches, Tänzerisches, Träumerisches.

Unser Text zeigt in der Verbundenheit von Jahwe und Weisheit, in Schöpferund Spielfreude ein ungewohntes Gottesbild, das Verlangen nach Beziehung, Zugewandtheit zu allem Lebendigen, Phantasie, Beweglichkeit und Fröhlichkeit offenbart. Es weist mütterlich-weibliche Züge auf und schafft durch die weiblich personifizierte Weisheit als Vertraute Jahwes eine starke Identifikationsmöglichkeit für Frauen.

Die Weisheit schlägt mit ihrem Spiel auf dem Erdenrund eine Brücke von Gott zu den Menschen. Durch sie wird Gott erfahrbar. Durch sie gelangen Menschen zu ihm. So schafft die Weisheit ihrerseits Verbindung und Verbundenheit und hält – sofern die Menschen ihr, und das heisst im Kontext von Spr konkret der Tora, folgen – die Welt im Gleichgewicht.

Mit der Kirche lesen

Die Gestalt der Weisheit bleibt auch über das Buch der Sprüche hinaus eine faszinierende Grösse: Im Buch der Weisheit wird sie mit Gott selbst identifiziert. Sie ist es beispielsweise, die das Volk beim Exodus durch die Wüste führt (Weis 10,15ff.). Eine urchristliche Tradition sieht im irdischen Jesus den Gesandten der göttlichen Weisheit. Eine andere setzt den Auferstandenen mit ihr in eins. Auch Paulus nennt Christus «Gottes Kraft und Gottes Weisheit» (1 Kor 1,24; vgl. auch Kol 1,15–17). Nicht zuletzt liegt eine Identifikation mit dem heiligen Geist nahe, von dem es heisst, dass er bei der Schöpfung anwesend war: «Finsternis lag über der Urflut, und Gottes Geist schwebte über dem Wasser.» Auch als Geist der Wahrheit, von dem im Sonntagsevangelium die Rede ist, hat er grosse Ähnlichkeit mit der Weisheit.

Diese Vielfalt der Vorstellungen kann uns sehr gut helfen, unser möglicherweise statisch gewordenes Gottesbild aufzubrechen und Gott seine Weite und sein Geheimnis zurückzugeben.

Warum sollten wir es dabei nicht machen wie die Weisheit und beginnen zu spielen? Und dabei mit Blick auf sie und ihr starkes, fröhliches Selbstbewusstsein die Freiheit der Kinder Gottes spüren?

Wir könnten wieder neugierig werden auf Gott und den Freiraum wahr- und ernstnehmen, den er uns schenkt. Wir könnten uns auf die Suche nach ihm machen, neue Mosaiksteine eines Gottesbildes entdecken und ungewohnte Möglichkeiten ausloten. Wir könnten Erfahrungen sammeln, uns mit anderen darüber austauschen und so Verbundenheit finden. Wir könnten uns mit Freude darauf einlassen, Gottes Fülle und seinen Reichtum zu erspüren.

Wir könnten uns schliesslich von Gott überraschen und berühren lassen – ganz so wie es Kurt Marti formuliert: «Will ich die gesellige Gottheit begreifen, von Ihr Besitz ergreifen, lang’ ich ins Leere. Und auch Sie (.. .) will nicht Besitz ergreifen von mir. Eher berührt Sie, wie Freunde, wie Liebende einander berühren, berührt, damit die Besessenheit vom Besitz, der Wille zur Macht verglühe im Angesicht jenes Tages, ‹da alle Herrschaft, jede Gewalt oder Macht vernichtet und Gott alles sein wird in allem› (vgl. 1 Kor 15,24)» (Kurt Marti: Die gesellige Gottheit. Stuttgart 1989, 96).