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Israel Finkelstein / Neil A. Silberman, Keine Posaunen vor Jericho. Die archäologische Wahrheit über die Bibel   

Buch des Monats Januar 2007

Lange Zeit diente die «biblische Archäologie» vor allem dazu, das in der Bibel Erzählte historisch zu belegen bzw. die Besitzansprüche Israels auf sein Land zu untermauern. Bücher wie der Longseller «Und die Bibel hat doch recht» hatten eine unglaubliche Wirkung auf das Bewusstsein der Gläubigen, und bis heute schöpft manche/r ReligionslehrerIn gerne aus solch archäologischen «Beweisen», um den Bibelunterricht glaubwürdiger zu gestalten.
Von der breiten Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt hat die Archäologie längst vieles korrigiert, was in der ersten Begeisterung als historischer Beleg biblischer Erzählkunst gegolten hatte. Und auch die historisch-kritische Exegese hat das ihrige dazu beigetragen, dass ein völlig neues Gesamtbild vom Werden des Judentums und seiner biblischen Überlieferungen entstand. Die beiden international renommierten Archäologen Israel Finkelstein und Neil A. Silberman haben die Forschungsergebnisse der vergangenen 50 Jahre im Jahr 2002 in einem grossen Wurf zusammengefasst, was den SPIEGEL (wieder einmal) dazu bewog, den «Tod Gottes» zu konstatieren.
Ganz so schlimm ist es zwar nicht, was die beiden Autoren in ihrem – seit neuestem in einer erschwinglichen Sonderausgabe vorliegenden – Buch darlegen. Aber je nachdem, wie viel man von den neueren Forschungen mitbekommen hat, dürfte doch manches überraschend neu zu überdenken sein. Das Grossreich Davids und Salomos wird als Legende aus viel späterer Zeit entlarvt, in der Eisenzeit war Jerusalem höchsten ein grösseres Dorf. Die Erzählungen vom Exodus und der Landnahme, wie sie heute vorliegen, dienten der nationalen Identitätsfindung nach der Katastrophe des Exils. Das schon länger identifizierte «deuteronomistische Programm» der «Geschichtsschreibung» Israels in sieben «Bänden» vom Buch Deuteronomium bis zum 2. Buch der Könige ist Tendenzgeschichte des Königreiches Juda bzw. der nachexilischen «Restauration» u. s. w.
Das gut lesbar und streckenweise geradezu spannend geschriebene Buch nimmt die Leserinnen und Leser mit auf den Weg der archäologischen Forschung und führt sie Schritt für Schritt von der «Suche nach den Erzvätern» bis zu «Exil und Rückkehr» der Deportierten. Mit fast detektivischem Spürsinn wird als «Kern» der Entstehung der Bibel die Zeit Joschijas (639-609) ausgemacht, als das Königreich Juda seine grösste Ausdehnung erreichte und Anspruch auf die Gebiete «Gesamtisraels» erhob. Von dort aus gesehen wird vieles an den biblischen Texten wesentlich plausibler.
Das Buch ist versehen mit einem sehr detaillierten Literaturverzeichnis und durch ein ausführliches Register gut erschlossen. Diese «herausragendste und erfrischendste Synthese zur biblischen Archäologie in den letzten fünfzig Jahren» – so Baruch Halpern, der Ausgräber von Megiddo – sei «allen, die morgens gerne kalt duschen ... wärmstens empfohlen» (David Noel Freedmann, ebenfalls ein Kollege der beiden Autoren).

Dieter Bauer

Israel Finkelstein / Neil A. Silberman, Keine Posaunen vor Jericho. Die archäologische Wahrheit über die Bibel, (Verlag C. H. Beck) München 2002 (Sonderausgabe 2006), 381 S., 27 Ktn u. Abb., Geb., 18,00 € [D] / 18,50 € [A] / 31,90 sFr. ISBN 3-406-55531-4

Erhältlich im Buchhandel.

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