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Messias von Georg Friedrich Händel   

Buch des Monats

Birnbaum, Elisabeth, Messias von Georg Friedrich Händel (Bibel & Musik), Stuttgart: Verlag Katholisches Bibelwerk 2016, 192 S., ISBN 978-3-460-08605-0, CHF 24,90.

Wer kennt nicht das berühmte «Halleluja» aus Händels «Messias»? Trotz dieses Schlagers der Barockmusik dürften nur wenige Näheres zum Oratorium wissen, aus dem das Stück stammt. Eine Orientierungshilfe bietet das Büchlein von Elisabeth Birnbaum, seit 1. September Direktorin des Österreichischen Katholischen Bibelwerks. Es ist Teil der Reihe «bibel & musik», in der bereits Jan Assmanns Einleitung in Händels Oratorium «Israel in Egypt» erschienen ist oder auch ein Band zu Arvo Pärts Johannespassion.

          Dem Anliegen der Reihe entsprechend richtet sich das Buch an Musikbegeisterte, die nicht nur an musikwissenschaftlichen Hintergrundinformationen zu Händels Werk interessiert sind, sondern auch fundierte Hinweise zur biblisch-theologischen Programmatik des Oratoriums schätzen. Die Autorin nimmt ihre Leserinnen und Leser auf Entdeckungsreise mit. In Kap. I erläutert sie den Entstehungskontext. Eine wichtige Rolle spielt der Librettist Charles Jennens, der Händel den Text zur Vertonung übergeben hat. Letztlich kommen im Stück seine theologischen Anliegen zum Ausdruck. In Kap. II macht Birnbaum die Aussagekraft des Oratoriums als christologischen Hymnus einsichtig. Das Werk lässt sich als grosses, bekennendes Loblied auf Gottes Rettungstat für die Menschen durch Jesus Christus begreifen. Man lernt bei der Lektüre etwa, wie dies funktioniert, obwohl der Name Jesus im Werk nur ein einziges Mal vorkommt. Im Hauptteil (Kap. III) geht das Buch Szene für Szene der Musik und dem Text nach. Auf diese Weise erschliesst sich, was aus heutiger Perspektiver nach einer seltsamen Collage aus biblischen Einzelversen und musikalischen Einzelstücken aussieht, nochmals im Detail als in sich stimmig komponiertes Gesamtwerk mit drei Hauptteilen: einem ersten Teil, der aus einer christlichen Perspektive die Messiasverheissung und Erfüllung in der Menschwerdung Gottes zum Thema macht, einem zweiten Teil, der vom Leiden und Tod Jesu handelt, aber auch von seiner Auferstehung, Himmelfahrt sowie der Verbreitung des Evangeliums, und einem dritten Teil, der die Gewissheit der endzeitlichen Auferstehung der Menschen ins Zentrum rückt. Eine Zusammenfassung (Kap. IV), der Abdruck des gesungenen englischen Textes mit einer deutschen Übersetzung (Kap. V) und tabellarische Überblicke (62ff.; 202ff.) helfen, trotz aller Details den Überblick zu behalten.

          In ihren Erläuterungen, z. T. durch Exkurse ergänzt, geht die Autorin darauf ein, wie der Librettist mit den biblischen Texten umgeht, wie er sie versteht und wie er biblische Verse kühn zu einem neuen Textganzen zusammensetzt, bei dem der einstige Aussagegehalt zugunsten der christologischen Programmatik zum Teil hemmungslos übergangen wird. Obwohl Birnbaum klare Worte für die Problematik eines solchen Zugangs findet (vgl. den Exkurs «Messiaserwartungen und «Schriftbeweis» des Alten Testaments», 34ff.) schafft sie es, diese Art, mit der Bibel umzugehen, in eine lange Traditionslinie eingebettet zu präsentieren, die bereits im Neuen Testament greifbar wird. Sie führt dem Leser/der Leserin damit vor Augen, dass die Bibel hierbei zwar als Steinbruch benutzt wird, dass es aber doch auch um kunstvolle, raffinierte Aktualisierungen geht, mit der der Bibel immer wieder eine aktuelle Bedeutung abgerungen wurde.

          Es ist zu hoffen, dass noch viele weitere Bände zur Buchreihe «bibel & musik» hinzukommen, um in der heutigen Zeit einem breiten Publikum profunde Zugänge zu Musik, zur Bibel und ihrem Auslegungsspektrum zu eröffnen. Mit Birnbaum, einer ausgebildeten Sängerin und promovierten Bibelwissenschaftlerin, konnte für den Messias-Band zweifellos die perfekte Autorin gewonnen werden. Da im hiesigen Kontext oft die deutschsprachige statt der im Original englischsprachigen Messias-Fassung aufgeführt wird, kann man es bedauern, dass das Buch nicht näher auf diese erst später, zu Mozarts Zeiten geschaffene Textfassung eingeht, die an einigen Punkten von der im Buch besprochenen Version abweicht.

          Gerade auf die Adventszeit hin, in der das Werk gerne aufgeführt wird (obwohl es, wie man lernt, ursprünglich für die Zeit der Passion und Ostern geschaffen wurde), bleibt «Messias» eine empfehlenswerte Lektüre. Allen, die bereits das diesjährige Themenheft «Messias. Der Traum vom Retter» (Welt und Umwelt der Bibel 2/2017) in den Händen hatten, kann es als passende Vertiefung dienen. Ganz bestimmt lässt sich voraussagen: Bei einer nächsten Gelegenheit, das Werk zu erleben, wird das Hörerlebnis nach der Buchlektüre ein anderes sein.  

Dr. Veronika Bachmann

 

 

 

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