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«Damit sich die Schrift erfüllt...» – Die Sonntagsevangelien als jüdische Texte lesen, Lesejahr A   

Buch des Monats

Schweizerisches Katholisches Bibelwerk (Hg.) Mit einer Einleitung von Hubert Frankemölle. Redaktion: Peter Zürn, Freiburg (Schweiz): Paulus 2016, 384 Seiten, ISBN 978-3-7228-0892-5 (CHF 41.50)

Eine Leseprobe finden Sie hier: Leseprobe - Damit sich die Schrift erfüllt

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Nach den dreimal «siebzig Gesichtern der Schrift», mit denen das Schweizerische Katholische Bibelwerk von 2011 bis 2013 Auslegungen der ersttestamentlichen Lesungen in den drei Lesejahren vorgelegt hat, wird nun eine neue Reihe eröffnet, in der die Sonntagsevangelien ebenfalls als Texte behandelt werden, die in jüdischem Kontext geschrieben wurden. Dabei wird ihre Eigenschaft als christliche Texte, die den christlichen Glauben begründen, überhaupt nicht in Abrede gestellt. Vielmehr tragen die Auslegungen der Tatsache Rechnung, dass die ersten Generationen der Christinnen und Christen sich ihrer Zugehörigkeit zum Judentum oder zumindest der Zugehörigkeit Jesu, seiner Anhängerinnen und Anhänger und seiner Botschaft noch bewusst waren und ihre Texte dieses Bewusstsein auch reflektieren. «Die Sonntagsevangelien als jüdische Texte lesen» muss daher als ein wichtiger Schritt zum korrekten Verständnis dieser Frohen Botschaften verstanden werden.

Peter Zürn verweist darüber hinaus in seinem Vorwort auf zwei weitere wichtige Aspekte, die für eine jüdische Lektüre der Evangelientexte sprechen: Zum einen hilft es «Jüdinnen und Juden als Geschwister im Glauben zu betrachten» (11) und so einen Beitrag zur Überwindung des christlichen Antisemitismus zu leisten. Zweitens muss die Kirche «von der jüdischen Weise, mit der Heiligen Schrift umzugehen, [...] lernen» (11), um – und hier zitiert Zürn Papst Franziskus – sich durch die «reiche Komplementarität» (13) beider Religionen bereichern zu lassen und sich «gegenseitig zu helfen, die Reichtümer des Wortes Gottes zu ergründen» (13).

Eine ausführliche Einleitung von Hubert Frankemölle zeigt die theologischen Grundlagen des Matthäusevangeliums auf und verdeutlicht, in welcher Weise der Evangelist die «Erfüllung der Schrift» durch das von ihm geschilderte Geschehen um Jesus von Nazareth versteht. «Erfüllt» werden die Schriften des Ersten Testamentes nämlich nicht in dem Sinne, dass sie durch Jesu Tun und Lehre überboten und damit obsolet würden. Vielmehr ist es Matthäus ein Anliegen, zu demonstrieren, dass sich in Jesus zeigt, dass die früheren Schriften weiterhin gültig sind und den fortbestehenden Heilswillen Gottes bezeugen.

Frankemölle begründet dabei unausgesprochen erneut die Vorgehensweise bei den Auslegungen dieses Buches: Das Matthäusevangelium erinnert nicht nur an Schriften, die durch Jesus erfüllt werden, sondern verweist auf deren eigene Botschaft, die durch Jesus erneut in Erinnerung gerufen wird.

Die 67 einzelnen Auslegungen sind nicht alle einzelnen Texten aus dem Matthäusevangelium gewidmet, sondern den verschiedenen Evangeliumsperikopen des Lesejahrs A, zu denen auch einzelne Texte aus Lukas und Johannes zählen, sowie – als Ausnahme – den Lesungen der Osternacht. Neben den Evangelien der Sonntage und einiger Hochfeste gibt es eine eigene Auslegung etwa auch zum Aschermittwoch. Die meisten Texte wurden zwischen 2010 und 2013 bereits als wöchentliche Rubrik in der Schweizerischen Kirchenzeitung SKZ veröffentlicht.

In der Regel fragen die Auslegungen zunächst nach innerbiblischen Bezügen, vor allem, wenn andere biblische Texte unmittelbar zitiert werden, aber – im Stil jüdischer Bibelauslegung – auch nach anderen Parallelen und Ähnlichkeiten, die die vorliegende Perikope erhellen können. Darüber hinaus werden unter dem Motto «Mit Matthäus im Gespräch» Bezüge in den grösseren Kontext des Matthäusevangeliums (bzw. Lukas und Johannes) hergestellt, wodurch im Laufe des Jahres bzw. der Buchlektüre ein tieferes Verständnis für die Anliegen und Interessen des Evangelisten wachsen kann. Auch aktuelle Fragen der Gegenwart werden in die Auslegungen einbezogen.

Das Buch ist keine Predigthilfe, sondern eine Hilfe für die Vorbereitung der eigenen Predigt. Es kann jedoch auch unabhängig von Predigt und Gottesdienst mit Gewinn gelesen werden, wenn man sich in die spirituelle Welt des Matthäusevangelisten hineinversetzen will. Diese Auslegungen aus jüdischer Perspektive werden gerade diesem Evangelisten besonders gerecht, da sie in Form und Inhalt einen ähnlichen Weg zu gehen versuchen, wie ihn der Autor des ersten Evangeliums vor beinahe 2000 Jahre unternommen hat.

Dr. Stefan Silber, Universität Osnabrück

 

Buch bei der Bibelpastoralen Arbeitsstelle, Bederstrasse 76, 8002 Zürich erhältlich.

Link zum Shop: http://bibelwerk.ch/d/shop

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